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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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unterhalten. Er saß nur in der Ecke und kämpfte mit dem Schock.
    Der Verräter, dem er den Tod geschworen hatte, saß neben ihm. Im Moment zählte nichts anderes.
    Doch dann geschah etwas Merkwürdiges. Im Laufe der folgenden Stunden legte sich Haydens Groll. Als Candesce endlich aufflackerte und der Morgen graute, wechselte er sogar einen staunenden Blick mit Carrier, während sie in die riesige Schneise hinausschauten, die sich zwischen den kilometerlangen Stämmen des toten Waldes geöffnet hatte.
    »Sieht aus, als hätte irgendein Ungeheuer die Bäume gefressen «, sagte Aubri.
    »Ein Rieseninsekt?«, fragte Carrier, aber er glaubte selbst nicht daran. Rieseninsekten waren groß wie Wolken, aber sie hatten keine Riesenkräfte. Wer immer das angerichtet hatte, konnte ganze Städte fressen.
    »Candesce auf Wanderschaft«, bemerkte Venera selbstzufrieden. Alle lachten, und die Spannung der Nacht löste sich.
    Später flogen Carrier und Venera zu ihrer Hütte zurück. Hayden sah ihnen nach. Er fühlte sich seltsam erleichtert, als wäre eine gewaltige Verantwortung
von seinen Schultern genommen. Lyle Carrier war schließlich doch nur ein Mensch, und ein trauriger noch dazu.
    Was hatte seinen Zorn versickern lassen? Er überlegte eine Weile, doch wenn er Aubri ansah oder Candesce, die im Zentrum des Himmels strahlte, gab es wirklich keinen Zweifel. Irgendwann in den letzten Wochen hatte Hayden gelernt, über das Gestern und das Heute hinauszuschauen. Eine Zukunft war möglich geworden, und das hatte ihn verändert.
    Vielleicht konnte er sein Versprechen an Chaison Fanning doch halten.
     
    Ein Schwarm von Bikes schraubte sich durch den Winter. Vor dem Sattel jedes Fliegers war eine große Magnesiumlampe angebracht. Große Lichtspeere durchsuchten die Dunkelheit nach einem sicheren Weg. Dahinter folgte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit der eigentliche Expeditionstrupp. Die glatten Schiffsrümpfe waren feucht vom Tau. Die Tropfen wurden vom Fahrtwind abgestreift und bildeten einen Kondensstreifen, der für jeden Verfolger gut sichtbar gewesen wäre. Aber die gehellesische Flotte war an der Grenze zurückgeblieben, ihr Jagdeifer war ohnehin nicht allzu groß gewesen, denn die Slipstream-Schiffe waren viele Kilometer im Schutz der Nacht geflogen, bevor man sie entdeckt hatte.
    Vielarmige Wolkengiganten ragten aus dem Dunkel auf, zu groß, um sie zu umfliegen. Der Anführer des Bike-Geschwaders beugte sich nach unten, startete eine Sondierungsrakete und beobachtete, wie ihr gelbes Auge im Nebel verschwand. Wenn die Rakete
etwas traf, würde sie in einem Phosphorregen explodieren. Er beobachtete gespannt die Umrisse der Wolke, ohne auf den eisigen Wind zu achten, der über ihn hinwegpfiff. Einen Augenblick später gab er Entwarnung und legte seinen eigenen Kondensstreifen über den der Rakete.
    Etliche Kilometer hinter den Bikes kletterte Chaison aus einer Seitenluke der Krähe und verankerte seine Füße in einem Ring am Rumpf. Dann spähte er über zweihundert Kilometer nächtlicher Wolkenlandschaft hinweg auf einen matten Silberstreif, der ihm verriet, wo Maverys Sonne stand. Weit oben an einer Seite dieses silbrigen Bereichs erhellten flackernde Blitze den Himmel.
    Vielleicht war es nur ein Gewitter - aber dazu passten die Farben nicht. Einige der Nadelstiche waren rot, andere grell orange. Das Licht kam von der Grenze zwischen Mavery und dem Winter. Natürlich war Chaison so weit entfernt, dass er die Detonationen nicht hören konnte - aber dort musste eine gewaltige Schlacht toben. Und er sollte dabei sein.
    Nach einer Weile kam Travis durch die Luke geklettert. Er hielt eine Decke in seiner unverletzten Hand. »Bitte um Vergebung, Admiral, aber Sie werden hier draußen erfrieren«, rief er, während er versuchte, seinem Vorgesetzten die Decke mit einer Hand um die Schultern zu legen.
    »Sehen sie sich das an«, sagte Chaison. Die winzigen Sternchen der Explosionen hatten ihn nicht unbegrenzt fesseln können, obwohl er genügend Vernunft und Fantasie besaß, um daraus zu erschließen, was sich abspielte. Sein Blick war wie von selbst nach vorne
gewandert, und irgendwann hatte er erkannt, dass die Schraffuren der Bike-Kondensstreifen das gesamte Licht mehrerer Nationen einrahmten. Der halbe Himmel war von Licht überflutet, Licht in riesigen Kreisen, die mit ausgebreiteten Armen nicht zu fassen waren. Die äußeren Ränder verblassten zu schwärzlicher Dämmerung, das Zentrum leuchtete himmelblau, und da und dort

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