Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
eine einzige Sonne, sondern eine ganze Sonnenwolke. Er versuchte, die einzelnen Bestandteile zu zählen, aber sie erloschen so schnell, dass er nicht nachkam. Jede Sonne hinterließ eine Überlastungsspur auf seiner Netzhaut, ein rotes Nachbild, das rasch verblasste.
    Aber die Hitze blieb. Anfangs spürte er sie nur da, wo der Wind nicht hinkam: in der Halsgrube und an den Waden. Doch in den nächsten Minuten staute sich die Wärme an seinem Bike, und es war, als drückten sie sich in eine elastische Oberfläche aus Abgasen und Feuer. Sie durchquerten achtzig Kilometer Luftraum und versanken darin; nach hundertfünfzig Kilometern fiel ihnen das Atmen schwer. Die Handelsschiffe waren zurückgefallen, aber die Katamarane folgten ihnen weiter, und ihre Scheinwerfer flimmerten in der heißen Luft wie funkelnde Edelsteine.
    In Haydens Augenwinkeln zuckten kleine Blitze. Er erschrak - würde er gleich das Bewusstsein verlieren? -, doch dann sah er die Kondensstreifen, die sich wie Breitengradlinien über den Himmel zogen.
    Venera schwenkte heftig den Arm. Als er zu ihr hinüberschaute, hielt sie die Hand, als wäre es eine Pistole. Er nickte und begann, das Bike in Schlangenlinien von einer Seite zur anderen zu steuern, erst vorsichtig,
um seine Fahrgäste nicht abzuschütteln … doch als die Kugeln von allen Seiten heranpfiffen, immer rasanter.
    Nach etwa einer Minute hörten die Schüsse auf. Er schaute zurück und sah, dass ihnen die Verfolger zwar weiter auf den Fersen waren, aber respektvoll Abstand hielten.
    Hayden lächelte. Sie glaubten wohl, er wäre erledigt. Wenn sie nur lange genug an ihm dranblieben, müsste er aufgeben. Schließlich könnte er sich hier nirgends verstecken, und Candesce wäre ihm verschlossen.
    Ihnen stand eine Überraschung bevor.
     
    Hinter Sargassum 44 ragte eine lange Schattenschwinge in den Winter hinein. Nach Leaf’s Choir war die knorrige schwarze Faust aus verbrannten Bäumen mit ihren im Nebel verschwimmenden Konturen nicht sonderlich eindrucksvoll, aber sie hatte doch einen Durchmesser von beachtlichen fünf Kilometern. Die Krähe und ihre Schwestern krochen mit ausgeschalteten Positionslichtern von der unbeleuchteten Seite an die geheime Werft heran. Zwei Bikes verließen Chaison Fannings bescheidenes Flaggschiff, um auf Erkundung zu gehen, und er wartete, nicht auf der Brücke, sondern im Hangar, auf ihre Rückkehr.
    Ob sich das schickte, war ihm egal. Er warf einen Blick auf die tickende Wanduhr und dann auf seine Männer. Noch zwei Stunden, bis die Sonnen der Falken ihr Licht dämpften und in den Nachtzyklus eintraten. In zwei Stunden wüssten sie, ob der Plan geglückt oder gescheitert war. Das war allen klar, aber niemand sprach es aus.

    Sie hatten die Radaranlagen in den Bug aller Schiffe eingebaut und getestet. Natürlich funktionierten sie nicht - die mundgeblasenen Kathodenstrahlröhren neben dem Pilotensitz der Krähe verbreiteten nur einen flaumigen Lichtschein. Doch mit jedem Schwesterschiff, das sein Radar an- oder abschaltete, war der Flaum heller oder matter geworden. Irgendeine unsichtbare Energie war hier am Werk. Der kleine Anhaltspunkt für einen bevorstehenden Erfolg hatte Chaison Mut gemacht.
    Und die Männer … Wieder sah er sie an. Seit Tagen wurde mit den Raketenschützen exerziert, damit sie lernten, auf Befehl von der Brücke blind zu feuern. Sie wirkten zuversichtlich.
    Er schüttelte den Kopf und lachte. »Männer, ich will euch nicht beleidigen, aber ihr seht aus wie Piraten.« Einige waren verwundet, andere hatten Schwertrisse oder Kugellöcher in ihren Uniformen nur notdürftig geschlossen. Doch was sie von allen anderen Besatzungsmitgliedern unterschied, mit denen Chaison jemals gearbeitet hatte, war der Schmuck. Je näher die Schlacht rückte, desto öfter hatten sich die Männer heimlich an ihre Spinde geschlichen und ihre Schätze geholt, so als könnte das Gewicht ihres künftigen Reichtums sie in den kommenden Kämpfen wie ein Talisman am Leben erhalten.
    Das war so sehr gegen alle Vorschriften, dass er jeden Einzelnen mit Fug und Recht hätte auspeitschen lassen können. Eine Halskette konnte in einem kritischen Moment in die Augen geraten oder sich um die Hand wickeln.
    Doch er würde niemanden bestrafen, und alle wussten das. Und so absurd es auch war, Chaison freute
sich über dieses Wissen. Er empfand für diese Besatzung eine Zuneigung, wie er es noch nie bei einem Kommando erlebt hatte.
    Die Kondensstreifen der Bikes berührten die

Weitere Kostenlose Bücher