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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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unterwegs, Sir!«
    »Und wann war das?«
    »Vor einer halben … einer halben Stunde, Sir.«
    Er wandte sich ab, um sich zu fassen, bevor der Mann die professionelle Maske verrutschen sah. Er suchte noch nach etwas, um sich zu beschäftigen - nach einer Verzurrung, die man beanstanden, einer Kartenmappe, die man zusammenfalten konnte -, als der Navigator mit deutlicher Erleichterung in der Stimme sagte: »Da
ist sie, Sir.« Er schaute durch ein Bullauge. Chaison war mit einem Satz durch fünf Meter Leere bei ihm und folgte seinem ausgestreckten Finger.
    Zwanzig Meter entfernt schwebte in einem Käfig, der an einem Andockarm hing, mit ausgestreckten Armen und Beinen eine Frau mit langem Haar, einer aristokratischen Nase und stark geschminkten Augen. Sie trug einen Overall in ausgefallenen Farben, der sich außerdem straff über alle richtigen (oder, für ein Schiff wie dieses, über alle falschen) Stellen ihres Körpers spannte. Nervös die Hände ringend, aber mit einem Ausdruck vollkommener Konzentration dirigierte sie einige Arbeiter, die einen kleinen Berg von Kisten und Koffern durch die schmale Ausgangsöffnung des Andockarms bugsierten.
    Aubri Mahallan war nicht die »sie«, auf die Chaison gehofft hatte. Dieser Fahrgast war vermutlich bereits an Bord. Er vergaß alle guten Vorsätze und musterte sie so vorwurfsvoll, als ob sie ihn hinter dem im Sonnenlicht gleißenden Rumpf erkennen könnte.
    »Diesen … Aufzug … kann ich nicht dulden«, flüsterte er vor sich hin.
    »Zwei Frauen an Bord, Sir«, bemerkte der Navigator in sachlichem Ton. »Das ist …«
    »Keineswegs ohne Beispiel«, ergänzte Chaison ruhig. »Virga hat eine reiche Tradition an weiblichen Schiffsoffizieren, Bargott - nur nicht in jüngster Zeit, unter der aufgeklärten Herrschaft unseres geliebten Piloten.«
    »Nein, Sir … äh … jawohl, Sir.«
    »Schicken Sie den Waffenmeister in den Kartenraum, sobald sie an Bord geht. Ich erwarte sie dort.« Chaison
verließ den Raum, ohne die Brückenmannschaft noch eines Blickes zu würdigen.
    Der hinter der Brücke gelegene Kartenraum war von jeher das Allerheiligste des kommandierenden Offiziers. Niemand durfte ihn betreten außer der Brückenmannschaft und Chaison selbst - mit Ausnahme der einen Person, die sich bereits dort aufhielt, als er den tonnenförmigen Raum betrat. Gridde, Chaisons Kartenmeister, war uralt, und sein Rücken war so gebeugt, dass er sich nicht einmal mehr im freien Fall gerade richtete. Als Chaison eintrat, fingerte er gerade eine winzige Rubinklammer aus dem Kreuzungspunkt zweier feiner Haare in der großen Modellbox. »Ach, Admiral«, sagte er, ohne sich umzudrehen, »diesmal haben Sie mir wirklich eine interessante Aufgabe gestellt.«
    Chaisons Gereiztheit verflog - wie immer in Griddes Nähe. »Es wäre eine Schande gewesen, Sie in den Ruhestand zu entlassen, ohne dass Sie uns geholfen hätten, durch den Winter zu fliegen.«
    »Das habe ich schon einmal getan«, keuchte Gridde und schmunzelte, als er Chaisons Überraschung bemerkte. »Vor fünfunddreißig Jahren«, fuhr der Kartenmeister fort und wandte sich wieder dem großen Glaskasten zu. Er enthielt ein dreidimensionales Raster aus feinen blonden Fäden, die kaum sichtbar waren - es waren tatsächlich Haare von einer der seltenen jungen Damen, deren Locken Griddes Anforderungen genügten. An den Fäden hingen Dutzende von Juwelenbündelchen: Ein einzelner Saphir stand für ein kleines Habitat, zwei Saphire für ein größeres und so weiter. Die Box war eine Galaxis aus funkelnden Lichtern: Saphiren,
Rubinen, Smaragden, Topasen und Gagaten, Bergkristallen und Chrysolithen. Ein großer Diamant genau in der Mitte stellte Slipstreams Sonne dar. Gridde war dabei, die Position eines Rubins zu verändern, um sie mit der letzten Telegrafeninformation in Einklang zu bringen.
    »Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter«, sagte Chaison und verschränkte lächelnd die Arme. »Was ist vor fünfunddreißig Jahren geschehen?«
    Gridde schnaubte. »Damals wäre fast die ganze verdammte Nation in den Winter abgetrieben! Wird denn in Ihrer Akademie keine Geschichte gelehrt? Ich erinnere mich noch gut, dass an einem Tag die halbe Modellbox leer war!« Trotz seines aggressiven Tons waren seine Finger völlig ruhig. Er klemmte den winzigen Rubin zwischen zwei Drähte und verschob ihn um eine Winzigkeit nach links. »So. Da solltest du ein bis zwei Tage bleiben.«
    Chaison fasste nach der Kante des Kartentischs und glitt so nahe heran,

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