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Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
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Ich hätte es schon daran merken müssen, dass die Triebwerke so jämmerlich winseln.«
    In weiter Ferne schallte lautes Krachen durch den Eisbergwald. Wieder schaute Hayden hinaus und sah, wie einer der Berge sich majestätisch langsam von seinen Nachbarn löste und hinter ihnen im Eisnebel verschwand. Er glaubte förmlich sehen zu können, wie er sich von seinen Brüdern entfernte.
    »Candesce erzeugt in Virga Konvektionsströme«, erklärte Aubri. Hayden fuhr zusammen, weil sie plötzlich dicht neben ihm war, genau unter dem Bullauge. »Aufsteigender Wasserdampf kondensiert und bildet Seen, und wenn er es bis hier herauf schafft, gefriert er. Die Außenhülle von Virga ist sehr, sehr kalt. Aber die Hülle ist auch der obere Rand von Virgas Gravitationstrichter, auch wenn der nur sehr schwach ausgeprägt ist. Wenn diese Berge wachsen, werden sie schwer. Irgendwann lösen sie sich und stürzen ab, und dabei schmelzen sie. Die größten schaffen es fast bis Candesce, bevor sie verdunsten.«
    Hayden betrachtete lange die gewaltigen Eiszapfen - denn nichts anderes waren die Berge. Dann zog er den Kopf wieder zurück und fragte: »Warum sind wir hier?«

    Aubris Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem seinen entfernt. Er war ihr noch nie so nahe gewesen, und eine angenehme Unruhe erfasste ihn - aber sie sah erbarmungswürdig aus. »Was ist denn los?«
    Sie zog sich zurück an ihren Arbeitsplatz und spielte an der Lampe herum. »Wenn ich gewusst hätte, dass wir hierherfliegen, hätte ich an der Expedition nicht teilgenommen.«
    Hayden verschränkte die Arme und wartete. Nach einigen Sekunden seufzte sie schwer und sagte: »Ich bin nach Virga gekommen, weil ich diese Welt verlassen wollte.« Sie deutete mit dem Daumen rumpfwärts, vermutlich auf das dahinter liegende Universum. »Hier bin ich nur ein Flüchtling, und ich werde nicht gern daran erinnert, was ich zurückgelassen habe. Und noch viel weniger möchte ich diese farblose Touristenstation wiedersehen.«
    Er ließ sich nach unten sinken, bis er neben ihr schwebte. Nach kurzem Überlegen sagte er: »Ich glaube, ich verstehe. Ich bin in Aerie geboren und aufgewachsen. Slipstream hat mein Land erobert, als ich noch ein Kind war. Aber ich habe es nicht vergessen - und man stößt ja auch auf Schritt und Tritt auf Erinnerungen, seien es die kunstgewerblichen Arbeiten, die auf dem Markt verkauft werden, oder der Akzent, den man auf der Straße hört. Das tut … weh. Irgendwann fängt man an, um solche Dinge einen Bogen zu machen. Und dann hat man ein schlechtes Gewissen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »So ist es nicht. Nicht ganz, aber Sie haben Recht, ich lasse mich nicht gerne erinnern.« Sie lächelte plötzlich. »Ich wusste gar nicht, dass Sie aus Aerie stammen.«

    »Bis heute Abend wusste das auch niemand sonst«, sagte er und faltete die Hände. »Wird es bis morgen früh auf dem ganzen Schiff bekannt sein?«
    Aubri zog eine Augenbraue hoch. »Nein - wieso denn auch?«
    Sie saßen eine Weile in einträchtigem Schweigen beieinander. Dann durchlief ein schwaches Zittern das Schiff, und zugleich veränderte sich das Winseln der Triebwerke.
    Aubri stöhnte. »Sind wir schon da?«
    Das Geheul der Alarmsirenen übertönte jede Antwort, die Hayden hätte geben können, und jeden Gedanken. Er sprang mit einem Satz ans Fenster und sah gerade noch, wie aus einer riesigen Wolkenbank helle Streifen auf eines der anderen Schiffe zurasten. Grelle Blitze erhellten die Flanke. Er konnte das Bullauge schließen und verriegeln, bevor ein Stakkato von Detonationen die Krähe erreichte.
    »Wir werden angegriffen«, bemerkte er überflüssigerweise, aber er bekam keine Antwort. Aubri Mahallan hatte den Raum bereits verlassen.
     
    Chaison Fanning warf sich eine Jacke über, während ihn sein Adjutant von hinten mit einer Hand durch den Verbindungsgang zur Brücke lotste. Hinter ihm war das ganze Schiff aufgewacht, und es summte wie in einem Bienenstock. »Wie viele sind es?«, rief er nach vorne, wo die Nachtwache plötzlich hellwach war. »Wie sind sie bewaffnet?«
    »Admiral, es sieht nach Winterpiraten aus«, sagte Helm. Der junge Offizier sah verängstigt aus. Dies war eine seiner ersten Wachen. Wahrscheinlich
fürchtete er den Feind weniger als das eigene Versagen.
    Chaison glitt zum Periskop, umfasste die Griffe und schob die Füße in die Bügel darunter, ohne hinsehen zu müssen. Ein paar Sekunden lang blinzelte er verdutzt und wusste nicht recht, was er da sah. Dann

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