Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Virga 01 - Planet der Sonnen

Titel: Virga 01 - Planet der Sonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Schroeder
Vom Netzwerk:
fast ebenso lange.
Unter der Besatzung machten Geschichten von sagenhaften Orten die Runde, Legenden von Habitaträdern aus purem Gold und Wäldern so groß wie ganze Nationen. Überall war die Luft von Schiffen bevölkert, und jetzt entdeckten sie sogar fliegende Menschen. Diese unerschrockenen Individuen bewegten mit den Beinen Flügel, die auf ihrem Rücken befestigt waren, und schwebten wie Engel zwischen Habitaten und Häusern dahin. Der Schiffsverkehr wurde nun durch Leuchtfeuergassen geleitet, und die sechs Slipstream-Schiffe hielten sich artig an die Markierungen.
    Endlich verließ Gridde abermals seine Zelle und hockte sich wie ein zerzauster schwarzer Marabu auf ein Hangartor. Er maß den Winkel zwischen Candesce und den Sonnen, die sie passiert hatten, und nickte schließlich. »Gehellen«, verkündete er dann, »liegt zwei Tagesreisen in diese Richtung.« Er deutete auf einen Bereich der Dunstsichel um Candesce, der für Hayden nicht anders aussah als alle anderen. Als er sich wieder ins Schiffsinnere zurückzog, hörte ihn Hayden leise zu Admiral Fanning sagen: »Dort werden Sie Leaf’s Choir finden.«
    Zwei Tage später machten die Krähe und ihre Schwesterschiffe an einem Grenzfeuer halt. Das Feuer selbst befand sich in einer zwölf Meter großen Kugel aus Schmiedeeisen und Glas. Da es Tag war, hatte man die Glut abgedeckt, aber es roch kilometerweit im Umkreis nach Kerosin. Die Straßenmarkierer hatten hier den gesamten Schiffsverkehr zusammengeführt; alle Reisenden mussten an den Raketenwerfern einer uralten, bemoosten Steinfestung vorbei, die etwa die Form eines Würfels hatte. An ihren Mauern waren vier
barocke, mit Verzierungen überladene Kreuzer festgemacht, deren Flaggen Hayden noch nie zuvor gesehen hatte.
    Beim Eintreffen der Slipstream-Schiffe verließ ein Bike-Geschwader die Festung und umzingelte sie. Die Triebwerke der Kreuzer erwachten fauchend zum Leben, die barocken Ungetüme schoben sich nach vorne und versperrten den Weg. Und aus den schattigen Tiefen der Festungsmauern schoben sich die Nasenkegel von Raketen hervor.
    »Wir sind da«, sagte Slew der Zimmermann, der mit Hayden im Hangar saß. »Willkommen in Gehellen.«

15
    »… Baron Castermond mit Gemahlin. « Viele Gäste drehten sich nach den Neuankömmlingen um. Chaison Fanning verneigte sich, aber Venera hatte inzwischen keine Lust mehr. Sie sah heute so wunderschön aus, dass sie sich jede Unart leisten konnte. Und das gedachte sie auch auszunützen.
    Der Ballsaal konnte es mit jedem Raum aufnehmen, den Rush zu bieten hatte. Die Konstruktion aus Stein und Glas erforderte zusätzlichen Aufwand bei der Rotation; aber große Empfangsräume hatten natürlich den Zweck, Besucher einzuschüchtern. Wer harmlosere Absichten vermutete, war ein Dummkopf.
    »Sehen Sie? Ich sagte Ihnen doch, Sie würden hier die Spitzen der Gesellschaft antreffen«, sagte Botschafter Richard Reiss. Slipstreams Vertreter in Gehellen war korpulent und hatte auf einer Wange ein tiefrotes Feuermal. Er trug die ortsübliche Tracht mit Volants an den Ärmeln und Rüschen am Kragen. Venera war ausnahmsweise einmal froh um die nüchterne Uniform von Slipstreams Militär; neben dem Botschafter wirkte ihr Mann wie ein verwegener Draufgänger.
    »Nur schade, dass Ihr exotischer Fahrgast nicht mitkommen konnte«, fuhr Reiss fort. »Wie hieß sie doch gleich?«

    »Mahallan«, antwortete Chaison zerstreut und hob sein Glas, um irgendeinen Unbekannten zu grüßen.
    »Sie war mit … Forschungsarbeiten beschäftigt«, sagte Venera. »Wir sind hier nicht auf Urlaub, Botschafter.«
    »Natürlich, natürlich. Dennoch freue ich mich, dass wir diese kleine Abendgesellschaft so kurzfristig veranstalten konnten.« Reiss fasste Venera behutsam am Ellbogen und führte sie zu einem Tisch mit Getränken. »Das heutige Fest könnte wesentlich dazu beitragen, die Räder zu schmieren. Sie wissen ja, Ihre Schiffe …«
    Er brauchte sie nicht daran zu erinnern. Die Krähe und ihre Schwestern lagen in der Militärwerft am anderen Ende von Gehellens Hauptstadt Vogelsburg, und das schon drei Tage lang, seit Gehellens Flotte sie im Schutz seiner Kanonen dorthin eskortiert hatte. Venera konnte den Leuten wahrhaftig nicht verdenken, dass sie misstrauisch waren; wer ließ fremde Kriegsschiffe schon so ohne weiteres durch das eigene Territorium ziehen? Natürlich wollte man sie auf Herz und Nieren prüfen und ihren Besatzungen gewisse Fragen stellen. Chaison hätte sich das überlegen

Weitere Kostenlose Bücher