Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
nicht sein Sohn«, wandte Phillips ein. »Bei der gegenwärtigen Sachlage jedoch brauchen wir das nicht. Wir können alle Informationen in die Strafempfehlung packen und die Angelegenheit für die Angehörigen der Toten leicht machen.«
»Was ist mit dem Deuce? Der ist ziemlich im Eimer.«
»Das müssen wir abwarten«, erwiderte Phillips. »In diesem Punkt rechne ich mit weiteren gerichtlichen Beschlüssen.«
»Ja. Ich erwarte eine gerichtliche Verfügung, die Itasca County zwingt, die Hosen runterzulassen.«
»Vielleicht. Allerdings gäbe es da noch ein paar ungeklärte Fragen bezüglich der Ashbach-Familie.« Phillips schien dieser Gedanke zu gefallen. »Zum Beispiel die Tatsache, dass Wendy Sie angelogen hat. Hinsichtlich dieser Probleme müsste man sich einigen können.«
»Ich liebe Gespräche mit Anwälten«, bemerkte Virgil. »Die eröffnen mir immer eine völlig neue, unverstellte Weltsicht.«
Virgil begegnete Ken Sanders auf dem Flur vor dem Büro des Sheriffs.
»Leider habe ich alles Aufregende verpasst«, beklagte sich der alte Mann. »Ich kann’s verstehen, dass Slibe Sie verprügelt hat.«
»Ich hatte alles unter Kontrolle«, erwiderte Virgil. »Ich wollte ihn nur nicht unnötig verletzen.«
Sanders lächelte. »So kann man das vermutlich auch interpretieren. Ich persönlich hätte wahrscheinlich lieber einen gebrochenen Riechkolben als nur ein Ohr. Obwohl ich Ihnen sagen muss, dass Sie irgendwie merkwürdig aussehen mit diesen weißen Dingern in der Nase.«
»Die kann ich in einer Stunde rausnehmen«, erklärte Virgil. »Dann bin ich wieder so gut wie neu.«
»Abgesehen von der Nasenschiene.«
»Man kann nicht alles haben.«
Sanders drückte Virgil den Zeigefinger in den Bauch. »Passen Sie auf sich auf, Cowboy.«
Als Virgil sein Motel erreichte, wartete Zoe mit jämmerlicher Miene im Eingangsbereich auf ihn.
»Es ist aus zwischen mir und Wendy. Ich bin sofort zu ihr rausgefahren, als ich von der Geschichte gehört habe, aber sie ist wieder mit Berni zusammen. Fest.«
»Zoe, lassen Sie die Finger von ihr«, riet Virgil ihr. »Sie liebt Sie nicht. Sie liebt nur sich selbst. Dagegen werden Sie nie ankommen.«
»Das ist mir klar«, sagte Zoe. »Sig meint, ich soll mich in der Szene in Duluth oder den Twin Cities umsehen.«
Virgil tätschelte ihr die Schulter. »Sie wollen doch das Eagle Roost kaufen …«
»Eagle Nest.«
»Und es in ein Lesben-Resort verwandeln, oder?«
»Ja.«
»Da lernen Sie bestimmt eine erfolgreiche Frau, wie Sie es sind, kennen und beginnen eine tolle Beziehung mit ihr«, sagte Virgil.
»Glauben Sie?«
»Natürlich.«
»Fahren Sie noch zu Sig?«
»Ja. Falls Sie übrigens heute Abend bei ihr auftauchen sollten, garantiere ich Ihnen, dass Sie weder das Eagle Nest erwerben noch eine tolle Beziehung haben werden, weil ich Ihnen dann nämlich den Kragen umdrehe.«
»Kommen Sie doch morgen früh auf einen Kaffee bei mir vorbei«, sagte sie. »Und erzählen Sie mir, wie meine Schwester im Bett ist. Ich weiß, dass sie auf Sie wartet.« Zoe stellte sich auf die Zehenspitzen und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Bis morgen. Viel Glück.«
Leben und Verbrechen waren komplex. Es gab noch eine Menge zu erledigen: Aussagen mussten aufgenommen, Beweise sortiert, Berichte geschrieben und Spesenabrechnungen eingereicht werden.
Allerdings nicht heute Abend.
Heute Abend wollte er zu Signy.
Virgil hatte gerade sein Hemd ausgezogen, als sein Handy klingelte. Er warf einen Blick aufs Display: Sanders. Scheiße. Egal, was passiert war, er würde zu Signy fahren. Virgil drückte auf den Sprechknopf.
»Ja?«
»Meine Leute sind den Grund auf der anderen Seite von Slibes Zaun abgegangen. Sieht so aus, als wäre dort schweres Gerät eingesetzt worden. An einer Stelle, ungefähr so groß wie ein Wagen, ist die Erde aufgewühlt. Abgestorbene Bäume und Büsche sind drübergeschoben. Am Morgen fährt Ihr Spurensicherungsteam raus. Ich nehme an, Windrow ist da vergraben.«
»Klingt jedenfalls danach«, sagte Virgil. »Ich stoße morgen zu Ihnen und sehe es mir an.«
Er beendete das Gespräch und betrachtete sich im Spiegel. Seine Augen glänzten dunkel und traurig. Windrow war ein anständiger, lebenslustiger Kerl gewesen. Wenn Virgil ihm nicht von Wendy erzählt hätte …
Nun wollte er nicht mehr nur zu Signy, sondern musste sogar. Er brauchte menschliche Zuwendung und Sex. Ohne prahlen zu wollen: Der Frau würde er es besorgen. Sie schlichen jetzt schon
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