Virgil Flowers 03 - Bittere Suehne
klopfte an den Rahmen des Fliegenschutzgitters. Im Innern hörte er Musik, die er nicht kannte. Eine braunhaarige Frau um die fünfzig trat an die Tür, wischte sich die Hände an einem Tuch ab, lugte durch das Fliegenschutzgitter und fragte mit einem Lächeln: »Kann ich Ihnen helfen?«
»Ich bin vom Staatskriminalamt«, erklärte Virgil. »Ist Mr Owen da?«
»Oje«, sagte sie, und das Lächeln erstarb auf ihren Lippen. »Geht’s um Erica?«
»Ja. Ich befrage Beschäftigte der Agentur.«
»Alle oder nur einige?«
»Mehrere«, sagte Virgil. »Ich habe gerade mit Mark Sexton geredet.«
»Dieses Arschloch. Wahrscheinlich hat er Ihnen den Floh ins Ohr gesetzt, dass Ron Erica umgebracht hat.«
»Nein, hat er nicht, aber … Ich muss wirklich mit Mr Owen sprechen. Wenn Sie wollen, können Sie dabei sein. Barney Mann sagt, Mr Owen hätte nichts mit Ms McDills Tod zu tun.«
»Da hat er recht. Ja, ich wäre gern dabei.« Sie trat aus dem Haus. »Kommen Sie. Er ist im Garten.«
Owen, der in Jeans-Overall und T-Shirt wirkte wie ein Hobbyfarmer, schälte gerade die letzten Maiskolben des Sommers. Er nickte, als Virgil und die Frau sich ihm näherten, und fragte: »Polizei?«
Virgil stellte sich vor.
»Die Sextons«, erklärte die Frau.
»Hätt ich mir denken können«, sagte Owen und wandte sich an Virgil: »Wollen Sie ein paar Maiskolben? Für uns beide sind es zu viele, aber zum Einfrieren lohnt sich’s nicht.«
»Ein paar würde ich nehmen«, antwortete Virgil. Der Mais roch süß und warm. »Sie wissen, weswegen ich hier bin. Waren Sie vorgestern Abend in den Twin Cities?«
Owen nickte. »Ja. Ich habe bis sechs in der Agentur gearbeitet und bin dann nach Hause gefahren.« Er nannte Virgil die Namen einiger Kollegen, die ihn noch spät im Büro gesehen hatten. »Ich hab sie nicht ermordet. Ich würde niemanden umbringen.«
Virgil nickte. »Die Sextons behaupten, Sie gingen auf die Jagd. Wer auch immer Ms McDill ermordet hat, kennt sich mit Gewehren aus.«
»Wie genau ist es passiert?«, erkundigte sich Owen. Nachdem Virgil es ihm erzählt hatte, stellte Owen fest: »Hört sich für mich nach jemandem aus der Gegend an. Sie können Google Earth studieren, so lange Sie wollen, und nichts über die Tracks in den North Woods rausfinden. Ein Schuss, mitten zwischen die Augen, sagen Sie?«
»Ja.«
»Entweder es war ein Unfall, oder es gab noch einen weiteren Schuss, von dem Sie nichts wissen … oder der Typ ist verrückt.« Owen streifte die grünen Blätter von einem Maiskolben; dabei kam ein Wurm zum Vorschein. Owen brach das Ende mit dem Wurm ab, ließ es auf den Boden fallen und zertrat es mit dem Stiefel. »Warum sollte man ein solch unsicheres Ziel wählen, wenn man Herz oder Lunge problemlos treffen kann?«
»Keine Ahnung«, antwortete Virgil, dem diese Frage noch gar nicht in den Sinn gekommen war. »Vielleicht dachte sie, man ziele eben auf den Kopf.«
»Sie?«
»Wir vermuten, dass der Schuss von einer Frau abgegeben wurde«, erklärte Virgil.
»Dann halten Sie mich also nicht für den Schützen?«, fragte Owen.
»Nein. Da jedoch alle behaupten, sie hätte Sie nicht leiden können und möglicherweise vorgehabt, Sie zu feuern, musste ich das überprüfen«, erläuterte Virgil und sah die Frau an. »Vielleicht hat ja Ihre Frau sie erschossen.«
»Ich schaff’s nicht mal, Mäuse umzubringen«, sagte die Frau. »Ich trage sie aus dem Haus und lasse sie laufen.«
»Und Sie waren vorgestern Abend daheim?«
»Ich habe bis fünf in der Highland Junior High das Volleyballtraining beaufsichtigt. Ich bin Lehrerin.«
Virgil lächelte. »Ich vermute auch, dass es jemand aus der Gegend war …« Und an Owen gewandt fügte er hinzu: »Wenn Sie sich für eine Ihnen bekannte Frau entscheiden müssten, die Erica McDill erschossen hat, wen würden Sie nennen?«
Owen dachte ein paar Sekunden nach. »Jean.«
»Wer ist das?«
»Ich«, antwortete die Frau. »Ich habe dieses Miststück gehasst.«
Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten. Am Ende beteuerte Owen, dass er wirklich niemanden in der Agentur kenne, der Erica McDill ermordet haben könnte.
»Das war irgend so ein lesbenfeindlicher Hinterwäldler«, erklärte er. »Da wette ich hundert Dollar. Ich hab mal bei einem Football-Match jemanden erzählen hören, einer der Quarterbacks wäre schwul. Darauf hat ein Redneck gesagt: ›’ne Schwuchtel würde ich ohne mit der Wimper zu zucken umbringen.‹ Das war sein Ernst.«
»Würde er bei einer
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