Virgil Flowers - 04 - Blutige Saat
Sie stört es, dass ich nicht die richtigen Büroklammern verwende?‹ Die Frau ist noch keine dreißig.«
»Büroklammern?«, wiederholte Virgil, der wieder einmal damit beschäftigt war, ihre laserbereinigte Schambehaarung zu inspizieren.
»Im Moment spielen die Büroklammern natürlich keine Rolle, aber in einem Jahr, wenn sämtliche Verfahren in vollem Gange sind, könnten sie wichtig werden«, sagte Lee. »Ich habe der Kommission erklärt, dass ich zwei ehemalige Anwälte anheuern muss, die den Papierkram für mich erledigen. Das Büro des Generalstaatsanwalts übernimmt die eigentlichen Befragungen der Missbrauchsopfer, der örtliche Pflichtverteidiger die Verteidigungsschiene, und ich kümmere mich um die Berichte über die Verhaftung. Ab sofort. Da kann ich Interviews vergessen.«
»Klingt vernünftig«, sagte Virgil, der sich fragte, warum sie sich ein Trapez hatte lasern lassen und kein gleichschenkliges Dreieck, keinen Rhombus und nichts Barockes, Verspieltes.
»Aber«, fuhr Lee fort, »wie soll man der Today-Show absagen?«
»Keine Ahnung«, murmelte Virgil.
»Weißt du was? Ich hab das M16 an der Wand hinter dem Schreibtisch aufhängen lassen, von John, unmittelbar vor dem Interview. Weil mich diese Hausfrau-Sheriff-Geschichten ankotzen. Die Reporterin von der Times wollte die ganze Zeit übers Brotbacken und die Kindererziehung als alleinstehende Mutter sprechen. Ich hab ihr gesagt: ›Hey, ich bin der Sheriff. Ich trage eine Waffe. Ich schieße auf Leute.‹ Sie hat gefragt, ob ich meinen eigenen Rosmarin anpflanze. Ich glaube, die ist das erste Mal aus New York City rausgekommen. Fast hätte ich mich dafür entschuldigt, dass ich in meiner Freizeit keinen Ziegenkäse mache.«
»Mmm, hausgemachter Ziegenkäse.«
Das brachte sie zum Lachen. Wieder ließ sie ihre Fingernägel über seinen Kopf gleiten, was Virgil ziemlich erotisch fand.
»Weißt du, was ich an dir mag, Virgil?«
»Was?«
»Du hörst mir zu. So viele Männer können nicht zuhören.« Seit der Schießerei, den ersten Festnahmen, den Bränden und der Trennung der Kinder von den Eltern aus der Welt des Geistes war eine Woche vergangen. Die Situation innerhalb der Sekte war komplexer als vermutet – es gab Familien, die nicht an den sexuellen Aktivitäten teilgenommen und sich unabhängig von Emmett Einstadts Gruppe zu Gottesdiensten getroffen hatten. Doch auch diese Familien hatten über den Kindesmissbrauch Bescheid gewusst und waren somit nicht aus dem Schneider.
Rose Marie Roux, die Leiterin der Abteilung Öffentliche Sicherheit im Stab des Gouverneurs von Minnesota, und Virgils Chef Lucas Davenport waren am folgenden Tag angereist, und Rose Marie Roux hatte die vorrangige Bearbeitung sämtlicher Beweismittel in den SKA-Labors zugesichert. Spurensicherungsteams untersuchten die niedergebrannten Häuser vor dem Hintergrund des Berichts von Virgil und Schickel über die Verbrennung von Junior Einstadt. Man entdeckte lediglich Knochenreste; nur in einem Stück vom Kiefer befand sich etwas, das wie ein Einschussloch aussah. Folglich konnte man die Beteiligung des Toten an der Schießerei bei Rouse nicht zweifelsfrei nachweisen.
Der Gouverneur, der klang, als hätte er einen Manhattan zu viel intus, rief Virgil spätnachts an und fragte: »Könnten Sie sich nicht mal zur Abwechslung ein Jahr aus Scherereien raushalten? Die Angelegenheit ist dem ganzen Staat peinlich. Wir sind doch nicht in Massachusetts.«
»Gouverneur, wenn Sie das der Öffentlichkeit nicht besser verkaufen können …«
»Doch, das kann ich: Die Aktion beweist, dass unser System funktioniert, dass wir besonderes Augenmerk auf das Wohlergehen unserer Kinder legen et cetera. Hey, verarschen Sie mich?«
»Vielleicht.«
»Bin doch glatt drauf reingefallen, Virgil. Besuchen Sie mich, wenn Sie wieder hier sind. Ich hab ein paar neue Tres-Outlaw-Cowboystiefel, die Sie sich anschauen sollten.«
Das Büro des Generalstaatsanwalts hatte die Ermittlungskette überprüft, die von dem ersten Hinweis darauf, dass Karl Rouse so viele Polaroid-Fotos machte, über Kathleen Spooners Bestätigung des Kindesmissbrauchs durch die Rouses bis zu den Durchsuchungsbefehlen reichte. Weitere Informationen von Kristy Rouse hatten die Identifikation aller auf den Fotos am Sex mit Kindern Beteiligten sowie der Beobachter im Hintergrund und schließlich die Festnahme beziehungsweise Anklage der meisten Sektenmitglieder ermöglicht.
Zwölf Familien waren wie vom Erdboden
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