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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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hatte. Besser, sie wurde das Zeug los. Sie schätzte, daß es genug war, um dafür ins Gefängnis zu kommen.
    Sie dachte darüber nach, wie dieses Zeug wirkte und wie merkwürdig es war, daß Leute ihr ganzes Geld ausgaben, um diese Wirkung zu spüren.
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    Sie wünschte nur, daß Lowell sie nicht so gern
    gespürt hätte.
    Sie wachte auf, als er sich neben sie legte. Das
    Wohnmobil bewegte sich, aber sie wußte, daß es zuvor angehalten haben mußte. Das Licht war aus.
    »Wer fährt?« fragte sie.
    »Mrs. Armbruster.«
    »Wer?«
    »Mrs. Elliott. Mrs. Armbruster war 'ne Lehrerin von mir, die genauso aussah wie sie.«
    »Wo fährt sie hin?«
    »Nach Los Angeles. Ich hab ihr gesagt, ich würde
    weiterfahren, wenn sie müde ist. Und daß sie sich nicht die Mühe machen soll, uns aufzuwecken, wenn sie über die Landesgrenze fährt. Wenn denen so 'ne Lady erklärt, daß sie keine landwirtschaftlichen Erzeugnisse mit sich führt, lassen sie sie wahrscheinlich durch, ohne hier drin nachzusehen.«
    »Und wenn sie's doch tun?«
    Er lag nah genug bei ihr auf dem schmalen Bett, daß sie sein Achselzucken fühlen konnte.
    »Rydell?«
    »Hm?«
    »Wie kommt's, daß es russische Cops gibt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, so im Fernsehen, bei diesen Cop-Sendungen,
    da sind ungefähr die Hälfte der Oberbullen immer
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    Russen. Oder diese Typen auf der Brücke. Wieso sind das Russen?«
    »Also, im Fernsehen übertreiben sie's 'n bißchen, wegen der Organisatsija-Sache, weil die Leute gern was darüber sehen«, sagte er. »Aber in Wahrheit hat man in 'ner Situation, in der die Russen die Mafia weitgehend übernommen haben, ja ganz gern so 'n paar russische Cops ...« Sie hörte ihn gähnen und spürte, wie er sich reckte.
    »Sind die alle so wie die beiden, die ins Dissidenten gekommen sind?«
    »Nein«, sagte er. »Ein paar korrupte Cops gibt's
    immer, das ist nun mal so ...«
    »Was machen wir, wenn wir in Los Angeles sind?«
    Aber er antwortete nicht, und nach einer Weile
    begann er zu schnarchen.
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Totes Einkaufszentrum
    Rydell schlug die Augen auf.
    Der Wagen stand.
    Er hielt sich seine Timex vors Gesicht und schaltete die Zifferblattbeleuchtung ein. Viertel nach drei Uhr nachts. Chevette Washington lag neben ihm, in ihre Motorradjacke gekuschelt. Es fühlte sich an, als würde er neben einem alten Gepäckstück schlafen.
    Er rollte sich herum, bis er die Jalousie vor dem Fenster zu fassen bekam, und zog sie ein Stück hoch.
    Draußen war es genauso dunkel wie drinnen.
    Er hatte von Mrs. Armbrusters Kurs in der fünften Klasse der Oliver-North-Schule geträumt. Sie würden gleich schulfrei bekommen, weil es im LernNetz hieß, daß zu viele Erreger der Kansas-City-Grippe herumschwirrten, so daß die Kinder in Virginia und Tennessee diese Woche nicht mehr zur Schule gehen sollten. Sie trugen alle die gefältelten weißen Papiermasken, die die Schwestern an diesem Morgen auf ihre Sitzplätze gelegt hatten. Mrs. Armbruster hatte 360
    gerade die Bedeutung des Wortes Pandemie erklärt.
    Poppy Markoff, die neben ihm saß und schon Titten bis hier hatte, hatte Mrs. Armbruster erzählt, ihr Daddy habe gesagt, die KC-Grippe könnte einen in der Zeit umbringen, die man brauchte, um zum Bus rauszugehen.
    Mrs. Armbruster, die ihre eigene Maske trug, eins dieser Mikropore-Dinger aus dem Drugstore, hatte mit einem Vortrag über das Wort Panik losgelegt und wegen der Wurzel eine Verbindung zu Pandemie hergestellt, aber dann war Rydell aufgewacht.
    Er setzte sich im Bett auf. Er hatte Kopfschmerzen und bekam eine Erkältung. Die Kansas-City-Grippe.
    Vielleicht das Mokola-Fieber.
    »Keine Panik«, murmelte er vor sich hin.
    Aber er hatte irgendwie so ein Gefühl.
    Er stand auf und tastete sich nach vorn. Unter der Tür fiel ein bißchen Licht durch. Er fand den Griff und machte die Tür einen Spaltbreit auf.
    »Hallo.« Gold an den Rändern eines Lächelns. Die
    gedrungene kleine Automatik war auf Rydells Auge
    gerichtet. Er hatte den Schalensitz auf der Beifahrerseite herumgeschwenkt und nach hinten geneigt. Seine Stiefel lagen auf dem mittleren Sitz, und er hatte die Innenbeleuchtung runtergedreht.
    »Wo ist Mrs. Elliott?«
    »Mrs. Elliott ist weg.« Rydell machte die Tür ganz auf. »Arbeitet sie für Sie?«
    »Nein«, sagte der Mann, »sie 's von IntenSecure.«
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    »Die haben sie in diese Maschine gesetzt, um mich im Auge zu behalten?«
    Der Mann zuckte die Achseln. Rydell bemerkte, daß sich die Pistole dabei keinen Millimeter

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