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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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ich da bin.«
    »Weißt du, daß sie hier sagen, ich wäre 'n Apostat?«
    Sublett hatte sich nicht so angehört, als ob er darüber glücklich wäre.
    »Ein was?«
    »Ein Apostat. Weil ich meiner Mom diesen
    Cronenberg-Film gezeigt habe, Berry. Videodrome.
    Und sie haben gesagt, das wäre ein Werk des Teufels.«
    »Ich dachte, alle diese Filme hätten Gott in sich.«
    »Es gibt Filme, die sind eindeutig Werke des Teufels, Berry. Das meint jedenfalls Reverend Fallon. Die von Cronenberg alle, sagt er.«
    »Ist Fallon auch in Paradise?«
    »Gott bewahre, nein«, hatte Sublett gesagt, »er ist in diesen Tunnels draußen auf den Kanalinseln, zwischen England und Frankreich. Da kann er auch nicht weg, weil er den Schutz braucht.«
    »Wovor?«
    »Vor den Steuern. Weißt du, wer diese Tunnels
    gegraben hat, Berry?«
    »Wer?«
    »Hitler. Mit Sklavenarbeit.«
    »Das wußte ich nicht«, hatte Rydell gesagt und sich vorgestellt, wie dieser unheimliche kleine Kerl mit dem schwarzen Schnurrbart oben auf einem Felsen stand und mit einer großen Peitsche knallte.
    402
    Nun kam ein weiteres Schild, diesmal auch nicht
    annähernd so professionell wie das erste, bloß
    schwarze, aufgesprühte Lettern auf ein paar Brettern.
    BIST DU BEREIT FÜR DIE EWIGKEIT? ER
    LEBT! UND WAS WIRD AUS DIR? SIEH FERN!
    »Sieh fern?« Sie war jetzt wach.
    »Falloniten glauben, daß Gott irgendwie da drin ist«, sagte Rydell. »Im Fernsehen, meine ich.«
    »Gott ist im Fernsehen?«
    »Ja. Im Hintergrund oder so. Subletts Mutter ist
    selbst in der Kirche, aber Sublett ist sozusagen vom Glauben abgefallen.«
    »Die sehen also fern und beten, oder was?«
    »Ich glaube, es ist eher so 'ne Art Meditation, weißt du? Die ziehen sich hauptsächlich diese ganzen alten Filme rein, und sie glauben, wenn sie genug von denen sehen, und lange genug, wird der Heilige Geist schon irgendwie in sie fahren.«
    »Bei uns in Oregon gab's die Offenbarungskirche
    arischer Nazarener«, sagte sie. »Erste Kirche Jesu, Survivalisten. Für die macht's kaum einen Unterschied, ob sie dich erschießen oder mit dir reden.«
    »Üble Typen«, stimmte Rydell zu, während das
    Wohnmobil über eine kleine Hügelkuppe fuhr, »diese Sorte Christen ...« Dann sah er unten Paradise, hell erleuchtet von Lampen an Masten.
    Der Sicherheitszaun, mit dem sie warben, bestand
    nur aus NATO-Drahtrollen, die eine Fläche von
    403
    vielleicht anderthalb Morgen umgaben. Rydell
    bezweifelte, daß das Ding wirklich unter Strom stand, aber er sah, daß etwa alle drei Meter Sirenen dranhingen, so daß die Sache trotzdem ziemlich effektiv sein könnte. An der Stelle, wo die Straße reinführte, war eine Art Blockhaus und ein Tor, aber es schien nichts weiter als ein Dutzend Campingwagen, Caravans und Zugmaschinen zu schützen, die auf dem Zementboden um eine Konstruktion herum geparkt waren, die wie ein altmodischer Funkturm mit einer ganzen Traube von Satellitenschüsseln oben dran aussah, die kleinen, teuren Dinger, die gewisse Ähnlichkeit mit riesigen, grauen Marshmallows aus Plastik hatten. Jemand hatte einen Bach gestaut, um eine Art Badeteich zu schaffen, aber der Bach selbst sah wie einer jener industriellen Abflüsse aus, in deren Umgebung man nicht einmal Insekten, geschweige denn Vögel fand.
    Aber sie hatten das ganze Gelände natürlich hell
    erleuchtet. Er hörte das Brummen großer Generatoren, als sie den Hang runterfuhren.
    »Meine Güte«, sagte Chevette Washington.
    Rydell hielt beim Blockhaus und ließ sein Fenster runter, froh darüber, daß es noch funktionierte. Ein Mann in einer leuchtend orangegelben Schaffelljacke und einer dazu passenden Mütze kam heraus, eine Art Schrotflinte mit einem Metallskelettschaft in der Hand.
    »Privatgelände«, sagte er mit einem Blick dorthin, wo 404
    die Windschutzscheibe sein sollte. »Was ist denn mit Ihrer Windschutzscheibe passiert, Mister?«
    »Wild«, sagte Chevette Washington.
    »Wir sind hier, um unsere Freunde zu besuchen, die Subletts.« Rydell hoffte, den Wachposten ablenken zu können, bevor er die Einschüsse oder irgendwas anderes bemerkte. »Sie erwarten uns. Wenn Sie
    vielleicht mal anrufen würden?«
    »Kann nicht gerade behaupten, daß ihr wie
    waschechte Christen ausseht.«
    Chevette Washington beugte sich über Rydell und
    starrte den Wachposten mit diesem gewissen Blick an.
    »Ich weiß nicht, wie's mit euch steht, Bruder, aber wir sind arische Nazarener aus Eugene. Wir würden da nicht mal reinfahren, wenn ihr da drin zum

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