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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Beispiel Matschleute habt, irgendwelche Mischlinge.
    Rassenverräter gibt's doch heutzutage an jeder Ecke.«
    Der Wachposten sah sie an. »Wenn ihr Nazarener
    seid, wieso seid ihr dann keine Skins?«
    Sie faßte sich vorn an ihre verrückte Frisur, an das Stück mit den kurzen Stacheln. »Als nächstes erzählst du mir noch, daß Jesus 'n Jude war. Weißt du nicht, was das hier bedeutet?«
    Er sah jetzt mehr als nur leicht beunruhigt aus.
    »Wir haben 'n paar heilige Nägel hier drin. Vielleicht hast du jetzt 'ne vage Ahnung.«
    Rydell sah, wie der Wachposten zögerte und
    schluckte.
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    »He, Kumpel«, sagte Rydell, »rufst du uns nun den guten alten Sublett an, oder was?«
    Der Mann ging ins Blockhaus zurück.
    »Was ist das für 'ne Geschichte mit diesen Nägeln?«
    fragte Rydell.
    »Das hat Skinner mir mal erzählt«, sagte sie. »Hat mir echt Angst gemacht.«
     
    Dora, Subletts Mutter, trank Cola mit mexikanischem Wodka. Rydell hatte schon Leute erlebt, die das tranken, aber nie bei Zimmertemperatur. Und die Cola war abgestanden, weil Dora sie ebenso wie den Wodka in großen Supermarkt-Plastikflaschen gekauft hatte, die sie schon vor längerer Zeit angebrochen zu haben schien. Rydell entschied, daß er sowieso keinen Bock hatte, was zu trinken.
    Im Wohnzimmer von Doras Caravan gab es eine
    Couch und einen dazu passenden Fernsehsessel. Dora lag im Sessel und hatte die Füße hochgelegt, wegen ihres Kreislaufs, wie sie sagte. Rydell und Chevette Washington saßen nebeneinander auf der Couch, die eher ein kleines Zweiersofa war, und Sublett saß auf dem Boden, die Knie fast bis zum Kinn hochgezogen.
    Ein Haufen Zeug schmückte die Wände und die kleinen Zierborde, aber es war alles sehr sauber — wegen Subletts Allergien, nahm Rydell an. Es waren jedoch eine ganze Masse Sachen: Tafeln, Bilder, Figurinen und Dinger, bei denen es sich um diese Gebetstücher 406
    handeln mußte, wie Rydell vermutete. Es gab ein
    Flachhologramm von Reverend Fallen, der wie üblich wie eine Beutelratte aussah, aber wie eine sonnengebräunte Beutelratte, die sich womöglich einer Schönheitsoperation unterzogen hatte. Und es gab einen lebensgroßen Kopf von J. D. Shapely, den Rydell nicht mochte, weil einem die Augen zu folgen schienen. Die besseren Sachen waren größtenteils um den Fernseher gruppiert — ein großes, glänzendes Ding, aber noch das alte Modell aus der Zeit, bevor sie wirklich groß und flach zu werden begannen. Er war an — es lief gerade ein Schwarzweißfilm —, aber der Ton war aus.
    »Sind Sie sicher, daß Sie nichts trinken wollen, Mr.
    Rydell?«
    »Nein danke, Ma'm«, sagte Rydell.
    »Joel trinkt nicht. Er hat Allergien, wissen Sie.«
    »Ja, Ma'm.« Rydell hatte bis jetzt nicht gewußt, wie Sublett mit Vornamen hieß.
    Sublett trug brandneue weiße Jeans, ein weißes TShirt, weiße Baumwollsocken und weiße Wegwerf—Krankenhauspantoffeln aus Papier.
    »Er war schon immer ein sensibler Junge, Mr. Rydell.
    Ich weiß noch, wie er mal am Lenker vom Big Wheel eines anderen Jungen gelutscht hat. Sein Mund hat sich praktisch von innen nach außen gestülpt.«
    »Mama«, sagte Sublett, »du weißt, der Arzt hat
    gesagt, daß du mehr Schlaf brauchst, als du kriegst.«
    407
    Mrs. Sublett seufzte. »Ja, schon gut, Joel, ich weiß, ihr jungen Leute wollt auch mal miteinander reden.« Sie schielte zu Chevette Washington hinüber. »Das ist eine Schande mit deinen Haaren, mein Schatz. Du siehst doch nun wirklich so gut aus, und du weißt, daß es so hübsch nachwachsen wird. Ich hab mal versucht, den Grill in diesem Gasherd anzuzünden, den wir unten in Galveston hatten, das war, als Joel noch ein Baby war, er war so sensibel, und da wäre mir der Herd doch beinahe explodiert. Ich hatte damals so eine Dauerwelle, meine Liebe, und, tja ...«
    Chevette Washington schwieg.
    »Mama«, sagte Sublett, »nun hast du ja deinen
    leckeren Drink gehabt ...«
    Rydell sah zu, wie Sublett die alte Frau hinausführte, um sie ins Bett zu bringen.
    »Du lieber Gott«, sagte Chevette Washington, »was ist denn mit seinen Augen los?«
    »Die sind bloß lichtempfindlich«, antwortete Rydell.
    »Das 's ja unheimlich.«
    »Er würde keiner Fliege was zuleide tun‹‹, sagte
    Rydell.
    Sublett kam zurück, warf einen Blick auf den
    Bildschirm, seufzte dann und schaltete den Fernseher aus. »Weißt du, daß ich den Caravan nicht verlassen soll, Berry?«
    »Wieso das denn?«
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    »Ist eine Bedingung wegen meiner Apostasie. Sie
    sagen, ich

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