Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
Frauenklo mit Ketten gesichert und abgesperrt.
    Jemand hatte die Popcorn-Maschine mit einer
    Automatic bearbeitet, wie es aussah. Er fuhr das
    Wohnmobil an die Rückseite und sah dort einen uralten Airstream-Caravan, den gleichen, in dem ein Nachbar seines Vaters in Tampa gewohnt hatte. Daneben kniete ein Mann vor einem Hibachi — einer Kohlenpfanne — und machte mit einem Topf rum, und zwei schwarze Labradors sahen ihm dabei zu.
    Rydell parkte, vergewisserte sich, daß Chevette
    Washington noch atmete, und stieg aus der
    Fahrerkabine. Er ging zu dem Mann hinüber, der
    inzwischen aufgestanden war und sich die Handflächen an den Hosenbeinen seines roten Overall abwischte. Er hatte eine alte, khakibraune Fischermütze auf, deren rund zwanzig Zentimeter langer Schirm waagrecht nach vorn stand. Die Fäden des gestickten Shell-Emblems auf seinem Overall waren durchgescheuert und ausgefranst.
    »Haben Sie sich bloß verfahren«, fragte der Mann,
    »oder gibt's ein Problem?« Rydell schätzte ihn auf mindestens siebzig.
    »Nein, Sir, kein Problem, aber ich hab mich eindeutig verfahren.« Rydell warf einen Blick auf die schwarzen 398
    Labradors. »Ihre Hunde scheinen nicht allzu glücklich zu sein, mich zu sehen.«
    »Die kriegen nicht viele Fremde zu Gesicht«, sagte der Mann.
    »Ja, Sir«, sagte Rydell, »das kann ich mir denken.«
    »Ich hab auch ein paar Katzen. Im Moment füttere
    ich sie alle mit Trockenfutter. Die Katzen fangen sich manchmal 'nen Vogel, vielleicht auch Mäuse. Sie haben sich verfahren, sagen Sie?«
    »Ja, Sir, das stimmt. Im Moment könnte ich Ihnen
    nicht mal sagen, in welchem Staat wir sind.«
    Der Mann spuckte auf den Boden. »Willkommen im
    gottverdammten Club, mein Sohn. Als ich so alt war wie du, war das alles hier Kalifornien, so wie Gott es gewollt hat. Jetzt ist es Südkalifornien, wie ich höre, aber weißt du, was es in Wirklichkeit ist?«
    »Nein, Sir. Was?«
    »'n Stück von dem ganzen blühenden Blödsinn. Wie
    diese Frau, die in dem gottverdammten Weißen Haus kampiert.« Er nahm die Fischermütze ab, wobei er den Blick auf ein paar silberweiße Krebsnarben freigab, wischte sich die Stirn mit einem fettfleckigen Taschentuch ab und setzte die Mütze wieder auf. »Und du hast dich also verfahren, was?«
    »Ja, Sir. Meine Karte ist kaputt.«
    »Weißt du, wie man Karten aus Papier liest?«
    »Ja, Sir.«
    399
    »Was, zum Teufel, hat die denn mit ihrem Kopf
    gemacht?« Er schaute an Rydell vorbei.
    Rydell drehte sich um und sah Chevette Washington, die sich über den Fahrersitz beugte und zu ihnen herausschaute.
    »Ist bloß ihre Frisur«, sagte Rydell.
    »Ich will verdammt sein«, sagte der Mann. »Sonst
    würde sie vielleicht gar nicht so übel aussehen.«
    »Ja, Sir«, sagte Rydell.
    »Siehst du die Cream-o'-Wheat-Schachtel da?
    Glaubst du, du kannst mir 'ne Tasse davon ins Wasser reinrühren, wenn es kocht?«
    »Ja, Sir.«
    »Tja, dann will ich mal 'ne Karte für dich suchen gehen, damit du 'nen Blick draufwerfen kannst. Skeeter und Whitey hier werden dir 'n bißchen Gesellschaft leisten.«
    »Ja, Sir.«
     
    PARADISE,
    SÜDKALIFORNIEN
    EINE CHRISTLICHE GEMEINDE
    DREI MEILEN CAMPING VERBOTEN
    BETONHÄUSER
    ALLE ZIMMER MIT FERNSEHER
    ELEKTRISCHER SICHERHEITSZAUN
    KOSTENLOSES SCHWIMMEN
    CHRISTLICHE KINDERTAGESSTÄTTE
    400
    (GENEHMIGT VOM STAAT
    SÜDKALIFORNIEN)
    327 SATELLITENKANÄLE
     
    Und ein noch höheres Kreuz dahinter, aus rostigen Eisenbahnschienen zusammengeschweißt, eine Art Gerüst voller alter Fernseher, deren tote Bildschirme alle zur Straße gerichtet waren.
    Chevette Washington schlief jetzt, deshalb entging ihr dieser Anblick.
    Rydell dachte daran, wie er mit Codes' Telefon
    Subletts Nummer in L.A. angewählt und dieses
    komische Klingeln gehört hatte, bei dem er beinahe sofort wieder aufgelegt hätte; dann stellte sich jedoch raus, daß der Anruf nur weitergeleitet wurde, weil Sublett Urlaub bekommen hatte und bei seiner Mutter war, die sich irgendwie krank fühlte.
    »Du meinst, du bist in Texas?«
    »Paradise, Berry. Mom ist krank, weil sie mit 'ner Gruppe von anderen Leuten hier nach Südkalifornien rauf gezogen ist.«
    »Paradise?«
    Sublett hatte ihm erklärt, wo das war, und Rydell hatte es auf der Landkarte des Shell-Mannes gesucht.
    »He«, sagte Rydell, als er eine vage Vorstellung
    hatte, wo das Kaff lag, »wie war's, wenn ich mal bei euch vorbeischaue?«
    »Ich dachte, du hättest 'nen Job in San Francisco.«
    401
    »Also, das erzähl ich dir alles, wenn

Weitere Kostenlose Bücher