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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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daß er genug Platz hatte, um die große Kanone zu ziehen, wenn er wollte.
    Rydell stellte fest, daß ihr Lover aussah, als ob er sich gleich in die Hose machen würde, was ihn irgendwie freute. Glatzkopf sah aus, als ob er in Plastik gegossen und einfach an Ort und Stelle erstarrt wäre, die Hände 285
    auf dem Tisch. Zwischen seinen Händen sah Rydell ein Taschentelefon.
    Orlowsky hielt das Mädchen mit der vollen
    Stromstärke seines Blicks fest. Sein Gesicht war
    gefurcht und grau in diesem Licht, und er lächelte nicht.
    Er zog die Krempe des Plastikhuts zurecht, nur genau dieses eine winzige Stück, und sagte: »Steh auf!«
    Rydell schaute sie an und sah, daß sie zitterte. Es stand völlig außer Frage, daß der Russe sie meinte und nicht einen ihrer Freunde — Lover sah aus, als ob er jeden Moment in Ohnmacht fallen könnte, und Glatzkopf spielte Statue. Chevette Washington stand zittrig auf. Der wacklige kleine Holzstuhl fiel hinter ihr um.
    »Raus!« Die Krempe zeigte zur Treppe. Orlowskys
    haariger Handrücken bedeckte den Kolben der H&K.
    Rydell hörte, wie seine eigenen Knie vor Spannung knirschten. Er beugte sich vor und umklammerte den Tischrand. Er konnte alte, getrocknete Kaugummiplacken darunter fühlen.
    Das Licht ging aus.
    Viel später, als er Sublett zu erklären versuchte, wie es gewesen war, als Josie ihr Hologramm auf Orlowsky losgelassen hatte, sagte Rydell, es habe wie der special effect am Ende von Jäger des Verlorenen Schatzes ausgesehen, die Szene, wo die Engel oder was immer sie waren aus der Schachtel gewirbelt kamen und sich auf die Nazis stürzten.
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    Aber für Rydell war alles auf einmal passiert. Als das Licht ausging, wurde es schlagartig stockdunkel, die ganzen Schilder an den Wänden, alles war aus, und Rydell stieß den Tisch einfach beiseite, ohne weiter darüber nachzudenken, und sprang dorthin, wo sie gestanden hatte. Und dann war von der Stelle an der Wand, wo der obere Rand des NEC-Schilds gewesen sein mußte, diese Lichtkugel herabgesaust und hatte sich dabei ausgedehnt. Sie hatte die Hautfarbe des Hologramms, Honig und Elfenbein, marmoriert vom
    Schwarz ihrer Haare und Augen, wie ein Schnellvorlauf der Satellitenaufnahme eines Sturmsystems. Sie hüllte den Russen ganz ein, eine Kugel von einem Meter Durchmesser um seinen Kopf und seine Schultern, und als sie sich drehte, wirbelten ihre aufgerissenen Augen und ihr zu einem stummen Schrei geöffneter Mund vorbei, alles stark vergrößert. Jedes Auge war für den Bruchteil einer Sekunde so groß wie die Kugel selbst, und die weißen Zähne waren ebenfalls riesig, jeder so lang wie die Hand eines Menschen.
    Orlowsky schlug nach der Kugel, und das hielt ihn für einen ganz kurzen Moment davon ab, seine Waffe zu ziehen.
    Aber die Kugel gab auch so viel Licht ab, daß Rydell sehen konnte, daß er das Mädchen und nicht Lover am Wickel hatte. Er hob sie einfach hoch, wobei er alles vergaß, was er je über Handschellen und Festnahmen gelernt hatte, und rannte zur Treppe, so gut es ging.
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    Orlowsky brüllte ihm irgendwas nach, aber es mußte auf Russisch gewesen sein.
     
    Wenn seinem Onkel, der nach Afrika zum Militär
    gegangen war, die Art gefiel, wie sich der Arsch einer Frau beim Gehen bewegte, sagte er immer, es sähe aus wie zwei kleine Luchse in einem Leinensack. Das war die Formulierung, die Rydell in den Sinn kam, als er die Treppe hinaufrannte und Chevette Washington dabei wie eine große Tüte mit Fressalien drin vor sich hertrug.
    Aber mit Sex hatte das nichts zu tun.
    Er war heilfroh, daß sie ihm kein Auge ausschlug und keine Rippe brach.
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Schwubbelduff
    Wer immer sie geschnappt hatte, sie trat und schlug weiter nach hinten, den ganzen Weg die Treppe rauf.
    Aber er hielt sie so weit von sich ab, daß er beinahe auf sie drauffiel.
    Dann war sie draußen auf der Ebene, und dort war es gerade hell genug, daß sie vor sich eine Art Plastik-MP von der Farbe einer Spielzeugwaffe erkennen konnte, die von den Händen eines weiteren Exemplars dieser großen, häßlichen Regenmanteltypen gehalten wurde. Dieser hatte keinen Hut auf, und seine Haare waren von einem Gesicht mit zu straffer Haut glatt nach hinten gekämmt.
    »Laß sie jetzt los, du Mistkerl«, sagte der mit der Kanone. Er hatte einen Akzent wie in einem alten Monsterfilm. Sie wäre beinahe hingefallen, als der, der sie festhielt, sie losließ.
    »Mistkerl«, sagte der Kanonentyp. Es klang wie Miestkärrel. »Willst du Bewegung machen, oder

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