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Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Drums, sondern zu den Wellen statischen Rauschens, die über deren Sound hin und her spülten, und als Rydell auf die Idee kam, die fette Frau anzuschauen, sah er, daß ihre Augen offen waren und daß sich ihre Finger in dem Plastikmuff bewegten.
    Niemand sonst in dem Laden schenkte der Japanerin die geringste Aufmerksamkeit, nur Rydell und die Frau im Rollstuhl. Rydell lehnte an der Bar, sah sich den Tanz des Hologramms an und überlegte, was er als nächstes tun sollte.
    Warbabys Wunschzettel sah folgendermaßen aus:
    Am besten war es, wenn er die Brille und das Mädchen bekam, das zweitbeste war die Brille, und nur das 282
    Mädchen rangierte eindeutig auf dem dritten Platz, war aber ein Muß, wenn sonst nichts ging.
    Josies Musik verebbte ein letztes Mal, und der Tanz des Hologramms endete. Von ein paar Tischen kam Applaus von Betrunkenen, und Josie nickte ein wenig, als ob sie ihnen dankte.
    Das Schreckliche daran war, dachte Rydell, daß
    Josie dort saß, in diesen Rollstuhl gequetscht, und einfach nicht sonderlich gut darin war, dieses Ding tanzen zu lassen. Er mußte an den Blinden im Park in Knoxville denken, der den ganzen Tag dort rumsaß und auf einer antiken Gitarre schrummelte. Da saß er, blind, mit dieser alten Gitarre, und spielte einfach beschissen.
    Er schien auch nie besser zu werden. Rydell fand das einfach nicht fair.
    Jetzt standen ein paar Leute an einem Tisch in der Nähe von Chevette Washingtons Platz auf. Rydell war sofort mit dem Bier zur Stelle, das er gewonnen hatte, weil er Eddie Scheißdreck abgewimmelt hatte. Er war immer noch nicht nah genug dran, um zu verstehen, was sie sagten, aber er konnte es wenigstens probieren.
    Er versuchte, sich was einfallen zu lassen, um
    vielleicht ein Gespräch anzufangen, aber das schien ziemlich hoffnungslos zu sein. Nicht daß er aussah, als ob er nicht hierher gehören würde; er hatte den Eindruck, daß die meisten hier keine Stammkunden
    waren, sondern ein willkürliches Sammelsurium von Leuten, die vor dem Regen geflohen waren. Aber er 283
    hatte einfach keine Ahnung, was das für ein Laden war.
    Er wurde nicht schlau draus, was ›Kognitive
    Dissidenten‹ bedeutete; es würde ihm auch nicht helfen, wenn er herausfand, was hier das Thema war. Und außerdem — worüber Chevette Washington und ihr
    Typ auch redeten, die Diskussion schien langsam
    ziemlich hitzig zu werden.
    Ihr Typ, dachte er. Da war was von Genervte
    Freundin in ihrer Körpersprache, und wie sich der Junge bemühte, den Coolen zu mimen, das deutete darauf hin, daß sie vielleicht seine ehemalige ...
    All das endete abrupt im Nichts, als plötzlich jedes Gespräch erstarb. Rydell schaute von seinem Bier auf und sah Lieutenant Orlowsky, den vampirartig aussehenden Cop von der Mordkommission des SEPD,
    in seinem Londoner Nebel von der Treppe
    hereinkommen, ein filzhutähnliches Ding auf dem Kopf, das aussah, als ob es aus fleischfarbenem Kunststoff zurechtgeknetet wäre, und die furchteinflößende Brille mit den halbformatigen Gläsern auf der Nase. Orlowsky stand da und knöpfte sich mit einer Hand den regendunklen Mantel auf, von dessen Saum kleine Bäche runterliefen und Pfützen um seine Kindersärge bildeten. Er hatte darunter immer noch die schwarze, kugelsichere Weste an, und nun kam seine Hand hoch und blieb auf dem glatten, olivbraunen Spritzgußkolben seines H&K-Gasdruckladers liegen. Rydell suchte das 284
    Etui mit dem Abzeichen an der Nylonschnur um seinen Hals, sah es jedoch nicht.
    Alle Augen in der Bar waren auf Orlowsky gerichtet.
    Orlowsky sah sich über den Rand seiner Gläser
    hinweg in dem Raum um. Er ließ sich Zeit und verpaßte ihnen allen eine ordentliche Dosis Bullenblick. Die Musik, ein schräges, hohles Technozeug, das sich anhörte, als ob Bomben in Echokammern hochgingen, begann, einen anderen Sinn zu ergeben.
    Rydell sah, daß Josie, die Rollstuhlfrau, den Russen mit einem Gesichtsausdruck anblickte, den er nicht ergründen konnte.
    Orlowsky erspähte Chevette Washington in ihrer
    Ecke und ging zu ihrem Tisch hinüber, wobei er sich weiterhin Zeit ließ und alle anderen im Raum zwang, sich die gleiche Zeit zu nehmen. Seine Hand lag immer noch an seiner Waffe.
    Es kam Rydell so vor, als ob der Russe im Begriff wäre, zu ziehen und sie zu erschießen. Es sah auf jeden Fall so aus, aber was für ein Cop würde das tun?
    Nun blieb Orlowsky vor ihrem Tisch stehen, genau
    an der richtigen Stelle — zu weit weg, als daß sie ihn erreichen konnten, und so,

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