Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virtuelles Licht

Virtuelles Licht

Titel: Virtuelles Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
heraus, um die Transaktion zu überwachen. Der Typ stand da und trommelte mit den Fingern auf den Rand, den Mund gespitzt, als ob er pfeifen würde, ohne jedoch einen Laut von sich zu geben. Sie schaute auf das Etui und das Telefon runter und fragte sich, warum sie nicht einfach raussprang und abhaute, wie er gesagt hatte.
    Schließlich kam er zurück, zählte mit dem Daumen einen Packen Geldscheine durch, steckte ihn in die vordere Tasche seiner Jeans und stieg ein. Er ließ die erste seiner Karten durch das offene Fenster zum Geldautomaten hinübersegeln, der sich wie eine Krabbe in sein Gehäuse zurückzog. »Keine Ahnung, wie sie die Dinger so schnell gesperrt haben, nachdem du das Ding da durch Freddies Laptop gerammt hast.« Er warf eine weitere weg. Dann die letzte. Sie lagen vor dem 318
    Geldautomaten, als dessen Lexanschild herunterfuhr, und ihre kleinen Hologramme blinkten in die Halogenlampen der Maschine hinauf.
    »Die wird sich jemand holen«, sagte sie.
    »Hoffentlich«, sagte er, »hoffentlich holen sie sich die Dinger und verschwinden damit zum Mars.« Dann machte er irgendwas im Rückwärtsgang mit allen vier Rädern, und der Ford sprang praktisch hoch und dann nach hinten auf die Straße, und ein anderer Wagen schlitterte an ihnen vorbei, nichts als kreischende Bremsen und blökende Hupe, der Mund des Fahrers ein schwarzes O, und dem Teil von ihr, der noch eine Botin war, gefiel das irgendwie. Andauernd war sie von denen geschnitten worden. »Shit«, sagte er, rührte in der Gangschaltung rum, bis er hatte, was er brauchte, und los ging's.
    Die Handschelle rieb auf dem Ausschlag, wo der rote Wurm gewesen war. »Bist du 'n Cop?«
    »Nein.«
    »Security? Vom Hotel oder so?«
    »Mh-mh.«
    »Also«, sagte sie, »was bist du?«
    Straßenlicht glitt über sein Gesicht. Es sah aus, als ob er darüber nachdächte. »Jemand, der in der Scheiße sitzt. Und zwar bis zum Hals.«
    319

Colored People
    Das erste, was Rydell sah, als er in der Gasse, die von der Haight Street abging, aus dem Patriot stieg, war ein einarmiger, einbeiniger Mann auf einem Skateboard.
    Der Mann lag bäuchlings auf dem Brett und stieß sich mit merkwürdigen ruckhaften Bewegungen vorwärts, die Rydell an das hilflose Rudern eines aufgespießten Froschs erinnerten. Er besaß noch den rechten Arm und das linke Bein, was immerhin für eine gewisse Symmetrie sorgte, aber an dem Bein war kein Fuß. Sein Gesicht hatte wie durch eine unheimliche Form von Osmose den Ton von schmutzigem Beton, und Rydell hätte nicht sagen können, was seine ursprüngliche Hautfarbe war. Seine Haare, falls er welche hatte, waren von einer schwarzen Strickmütze bedeckt, und der Rest seines Körpers steckte in einem schwarzen Einteiler, der aus Stücken besonders strapazierfähiger Gummischläuche zusammengenäht zu sein schien. Er blickte hoch, als er auf seinem Weg zur Einmündung der Gasse durch Pfützen rollte, die das Unwetter 320
    hinterlassen hatte, und an Rydell vorbeikam, und Rydell hörte oder glaubte zu hören, wie er sagte: »Willst du mich anquatschen? Wenn du mich anquatschen willst, halt lieber deine verdammte Schnauze ...«
    Rydell stand mit seinem Samsonite in der Hand da
    und sah ihm nach.
    Dann klapperte etwas neben ihm. Das Metall an
    Chevette Washingtons Lederjacke. »Komm«, sagte sie,
    »besser, wenn wir hier nicht zulange rumhängen.«
    »Hast du das gesehen?« fragte Rydell und zeigte mit seinem Handkoffer hin.
    »Wenn du hier noch lange rumhängst, wirst du noch schlimmere Sachen sehen«, sagte sie.
    Rydell schaute zum Patriot zurück. Er hatte die Türen verriegelt und den Schlüssel unter dem Fahrersitz liegenlassen, weil er nicht wollte, daß es zu leicht aussah, aber er hatte die Heckscheibe vergessen. Er war noch nie in die Lage geraten, sich unverhohlen zu wünschen, daß ein Auto gestohlen wurde.
    »Bist du sicher, daß ihn jemand nimmt?« fragte er sie.
    »Wenn wir nicht endlich verschwinden, nehmen sie
    uns gleich mit.« Sie marschierte los. Rydell folgte ihr. Auf die Ziegelmauern war irgendwelches Zeug gemalt, so hoch hinauf, wie die Maler nur kamen, aber es ähnelte keiner Sprache, die er kannte, allenfalls der Schreibweise von Schimpfwörtern in Comics.
    Sie waren kaum um die Ecke gebogen und auf den
    Bürgersteig getreten, als Rydell hörte, wie der Motor 321
    des Patriot auf Touren gebracht wurde. Er bekam eine Gänsehaut wie von etwas in einer Horrorgeschichte, denn in der Gasse war kein Mensch gewesen, und jetzt konnte

Weitere Kostenlose Bücher