Virtuosity - Liebe um jeden Preis
Anwandlungen.«
Ich ließ die Pfannkuchen stehen und schenkte mir stattdessen ein Glas Orangensaft ein. »Aber ich schaffe das Pensum vielleicht nicht, wenn …«, begann ich, doch dann hörte ich mitten im Satz auf.
»Carmen, soll das ein Witz sein?«
Es war wirklich ein lahmer Einwand. »Weiß nicht, vielleicht.«
»Muss ich dich erst daran erinnern, dass du für diesen Herbst ein volles Stipendium an der Juilliard hast?«, entgegnete sie. »Das du hoffentlich zurückstellen wirst. Und außerdem hast du bereits alle für den Abschluss vorgeschriebenen Kurse bestanden. Es freut mich für dich, dass du Spaß an Physik und Französisch hast, aber du musst dich jetzt voll und ganz auf den Wettbewerb konzentrieren.«
»Was soll das heißen, zurückstellen?«
Sie sah mich über den Rand ihrer Brille hinweg an. »Du weißt doch selbst, dass du das ganze Jahr über auf Tournee sein wirst, falls du den Guarneri-Wettbewerb gewinnst. Das ist mehr wert als das Preisgeld.«
»Ja schon«, antwortete ich und schaffte es nicht, meine Wut zu verbergen. »Aber ich bin davon ausgegangen, dass ich beides gleichzeitig machen kann.«
Diana seufzte. »Das Pensum an der Juilliard kannst du doch nicht mit deinem Unterricht zu Hause vergleichen! Dort wird es keine Heidi geben und keine freien Tage. Du wirst Unterrichtsstunden besuchen müssen.«
»Das weiß ich selbst, ich bin ja nicht blöd.«
Seit Samstag verliefen alle Gespräche zwischen uns nach dem gleichen Muster: von normal bis stinksauer in null Komma nichts. Zu viele Dinge, über die wir nicht reden konnten – Inderal, Jeremy, ihre furchterregende Entschuldigung –, standen jetzt zwischen uns.
»Du kannst dich mit Heidi treffen, sobald der Guarneri-Wettbewerb vorbei ist.«
»Aber Heidi hat mich eingeladen. Ich soll am Mittwoch bei ihr übernachten«, log ich.
Diana lehnte sich auf dem Stuhl zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte mich an. Heidis Apartment im angesagten Wicker Park war nur unwesentlich größer als ein begehbarer Kleiderschrank. Obendrein hatte sie auch noch eine Mitbewohnerin.
Trotzdem war es nicht vollkommen abwegig, dass ich dort übernachten würde. Als Clark und Diana nämlich letzten Sommer an ihrem zehnten Hochzeitstag nach Montreal gefahren waren, hatte ich ein Wochenende auf Heidis Fußboden verbracht, eingeklemmt zwischen ihrem Bett und der Badezimmertür. »Jenna ist gerade nicht da«, fügte ich hinzu. Das war durchaus möglich, denn Jenna, Heidis Mitbewohnerin, war viel geschäftlich unterwegs.
Diana wollte etwas erwidern, doch sie zögerte. Man sah ihr an, dass sie es mir am liebsten verboten hätte. Sie hielt die Arme eng um ihren Körper geschlungen, als müsste sie ihn zusammenhalten, und ihr Blick war unsicher. Sie wusste, dass sie nicht zu weit gehen durfte. Ich machte ihr Sorgen. Gut so.
Sie zuckte die Achseln. »Das ist kein Problem. Wir sind sowieso auf der CSO-Gala und nicht zu Hause.«
Ihre gespielte Gleichgültigkeit war lächerlich, aber ich wollte jetzt lieber keinen Streit vom Zaun brechen, damit ich so schnell wie möglich mit Heidi telefonieren konnte. Ich klemmte mir das Französischbuch unter den Arm und ging zurück zur Treppe. »Ich geh dann mal üben.«
Sie antwortete nicht.
Heidi war überraschend leicht zu überreden. Ich hatte erwartet, dass sie den verantwortungsbewussten Erwachsenen herauskehren würde. Wir waren nur fünf Jahre auseinander, aber Dianas Unterschrift auf dem Gehaltsscheck machte Heidi zur Sklavin des Erwachsenenkodexes. Indem sie sich damit einverstanden erklärte mein Alibi zu sein, verstieß sie eindeutig gegen die Regeln. Aber ich hatte ihre romantische Ader unterschätzt.
»Warte, warte, warte, sag’s noch mal«, japste sie aufgeregt, als ich ihr davon erzählte, was Freitag- und Sonntagabend passiert war. Genau wie nach dem ersten Mal kreischte sie wieder in den Hörer. »Natürlich kannst du bei mir übernachten!«, quietschte sie. »Aber was willst du denn anziehen?«
»Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht«, antwortete ich, kickte die Schuhe von den Füßen und kletterte auf mein Bett.
»Sag mal, tickst du nicht mehr ganz richtig? Du hast noch gar nicht darüber nachgedacht? Carmen, ich kenne alle Klamotten in deinem Kleiderschrank. Wenn du mit einem Typen zu einem Sox-Spiel gehst, kannst du wohl kaum in Flanell-Pyjamahose und Unterhemd auftauchen«, meckerte sie. »Oder in einem deiner Konzertkleider.«
Es stimmte schon. In meinem Schrank
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