Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virulent

Virulent

Titel: Virulent Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Sigler
Vom Netzwerk:
ist schon cool, wenn man ganz langsam abdrückt, aber wenn ich dieses Ding wirklich benutzen muss, sollte ich dann nicht schneller feuern?«
    Dew lächelte. »Es ist vollkommen logisch, dass du das fragst. Ich glaube zwar nicht, dass du wirklich eine dieser Waffen benutzen musst, aber nur für den Fall: Lade das Magazin und feuere es so schnell leer wie du kannst, okay? Dann werden wir uns das Ziel anschauen und uns um deine Treffsicherheit kümmern. Danach werden wir uns darüber unterhalten, wie man in verschiedenen Situationen schießt. Manchmal wirst du einen genauen Schuss platzieren, und manchmal wirst du in kürzester Zeit so viel Blei wie möglich verspritzen wollen. Okay?«

    Perry lächelte und nickte. Diesmal war es ausnahmsweise ein richtiges Lächeln. Angesichts der genähten Lippe sah es zwar immer noch schrecklich aus, aber wenigstens war es echt.
    Dew trat drei Schritte zurück. Scheinbar lässig richtete er die .38er auf den Boden, doch er steckte sie nicht in den Holster zurück. Noch nicht.
    Perry schob zwei weitere Patronen in das Magazin, schob das Magazin in die Pistole und drückte mit dem Daumen den Sicherungshebel nach vorn, bis er einrastete, sodass die Waffe entsichert war. Er zielte und feuerte die sieben Schuss in weniger als zwei Sekunden ab. Es klang wie ein Maschinengewehr. Dew beobachtete, wie sich die Hand des jungen Mannes bewegte, oder genauer: wie sie sich nicht bewegte. Sie hätte genauso gut aus Granit gemeißelt und mit der Wand verschraubt sein können.
    Perry ließ das Magazin aus der Pistole gleiten und sah in die Kammer. Dann legte er die Waffe und das Magazin ab und hob scheinbar in Zeitlupe die Hände. Dew starrte in Richtung der Zielscheibe. Er konnte nicht glauben, was er da sah. Er betätigte den Schalter, der die Zielscheibe zu ihnen heranfahren ließ, um einen genaueren Blick darauf zu werfen.
    Perry hatte mit jedem seiner sechs Schüsse den mittleren Ring getroffen. Das X in der Mitte war nicht einmal mehr zu sehen. Dort befand sich nur noch ein großes Loch mit gezackten Papierrändern.
    Perry lächelte und sah zu Dew hinab. »Das ist ziemlich gut, was?«
    »Willst du mich verarschen, mein Junge? Bist du sicher, dass du noch nie geschossen hast.«
    Der große Mann schüttelte den Kopf. »Nein, Sir. Dad hat
nie zugelassen, dass ich eine Waffe anfasse. Aber ich meine, es geht doch um nichts anderes als um die Koordination von Hand und Auge, richtig? Wie bei einem Videospiel. Bei solchen Sachen war ich schon immer gut.«
    Dew starrte auf die Zielscheibe. Das klang logisch. Dawsey war ein Ausnahmesportler gewesen. Er hätte für eine der Mannschaften in der NFL spielen können, wahrscheinlich sogar für jede, hätte seine Knieverletzung seine Karriere nicht beendet. Er war so kräftig, dass er nicht einmal den Rückschlag der .45er spürte – er konnte den Lauf genau ausrichten und ihn vollkommen ruhig halten, während er das Magazin leerte.
    Plötzlich fragte sich Dew, ob es wirklich so eine gute Idee war, Perry das Schießen beizubringen. Wenn Perry mit bloßen Händen Menschen umbringen konnte, war es nicht schwierig sich vorzustellen, was er mit einer Waffe und genügend Munition anrichten könnte.
    44
Hässliche Betty
    Betty Jewells Körper steckte in einer katastrophalen Situation. Halb ausgebildete Crawler lösten sich auf und verbreiteten in ihr den Tod per Apoptose. Ihre einzige Schuld bestand darin, dass sie schon so alt war, dass ihre Telomere kürzer wurden und es – wie bei jedem anderen auch – zu kleineren Schäden kam. Die Verkürzung ihrer Telomere war natürlich noch nicht so weit fortgeschritten wie bei ihrem Vater, der sechsundzwanzig Jahre älter war als sie.

    Wäre sie jünger gewesen – möglicherweise nur fünf Jahre jünger –, wäre alles besser ausgegangen für sie.
    Wobei »besser« allerdings bedeutet hätte, dass zu diesem Zeitpunkt schon mehr Crawler ihr Gehirn erreicht hätten. So aber war die Netzstruktur in ihrem Gehirn noch dünn, geradezu spärlich. Weitere Crawler waren nötig, um die Veränderung abzuschließen und das Signal abzuschicken. Also versuchten immer mehr, ihr Gehirn zu erreichen, wobei sie entweder halb verwestes Material an Bettys Nervenbahnen entlangschleppten oder versuchten, sich an den verrottenden Leichen derjenigen Crawler vorbeizuschieben, die ihre Tätigkeit bereits eingestellt hatten. Die Überlebenden streckten ihre Pseudodendriten aus, packten zu, zogen sich weiter und sendeten ihre Schmerzsignale aus,

Weitere Kostenlose Bücher