Virus (German Edition)
nicht ‚A87’.”
Natürlich hatte Holger ebenfalls
darüber nachgedacht, doch die Antwort war ebenso einfach wie logisch.
„Du vergisst, wo wir uns hier
befinden”, sagte er.
„In Rostock?”
„Auf dem G8-Gipfel. Das Publikum
hier ist international, der Mörder will seine Botschaft um die ganze Welt
tragen. Für die Offenbarung gibt es in jeder Sprache ein anderes Wort. Wie
heißt sie zum Beispiel im Englischen, Debbie?”
„Revelation”, erwiderte Debbie.
„Revelation. Überall auf der Welt
und in jeder Sprache gibt es unterschiedliche Wörter für Offenbarung. Das Wort
Apokalypse aber ist in allen Sprachen mehr oder weniger identisch.”
Holger sah, wie nach und nach
alle Zweifel aus Debbies und Lars’ Gesichtern wichen. Er hatte sie überzeugt.
„Ein christlicher Fundamentalist
also, ja?” fragte Lars nach.
„Sowas in der Art, ja.”
„Was passiert bei der dritten
Posaune?” fragte Debbie.
„Der dritte Engel blies seine
Posaune”, zitierte Holger weiter. „Da fiel ein großer Stern vom Himmel; er
loderte wie eine Fackel und fiel auf ein Drittel der Flüsse und auf die
Quellen. Der Name des Sterns ist ‚Wermut’. Ein Drittel des Wassers wurde
bitter, und viele Menschen starben durch das Wasser, weil es bitter geworden
war.”
„Das heißt also, die Art und
Weise, wie das dritte Opfer sterben wird ist…”, begann Lars, stockte dann aber,
um nachzudenken. „Ja, was denn eigentlich?”
„Vielleicht eine Vergiftung mit
Wermut?” schlug Debbie vor.
„Natürlich”, rief Holger aus. „In
Wermut ist ein Nervengift.”
„Woher weißt du das denn schon
wieder?” fragte Lars verwundert.
„Es handelt sich um das gleiche
Zeug, das in Absinth ist, und es ist der Grund, warum der echte Absinth in
Deutschland verboten ist”, erwiderte Holger. „Wenn es etwas gibt, womit ich
mich auskenne, dann sind es wohl Spirituosen.”
„Und wieso meinst du, es werde
genau vier weitere Morde geben?” wollte Debbie wissen.
„Es gibt sieben apokalyptische
Posaunen, aber nur die ersten sechs fügen den Menschen Schaden zu. Bei der
siebten huldigen lediglich die Engel dem Herrn in seinem Tempel.”
„Dann gibt es aber ein Problem”,
hakte Debbie ein.
„Und welches?”
„Laut unserer Systematik sind
Marcel und ich die letzten möglichen Opfer. Wo will der Mörder die beiden übrigen
hernehmen?”
Da hatte sie natürlich Recht, das
hatte Holger nicht bedacht. Sie mussten bei der Systematik etwas übersehen
haben.
„Da können wir immer noch drüber
nachdenken”, Lars sprang plötzlich von der Bank auf. „Wir kennen immerhin zwei
weitere mögliche Opfer und die müssen wir schützen. Ich bringe euch jetzt zu
Wegmann und dann könnt ihr ihm die ganze Geschichte erzählen. Er kann dann
alles Weitere veranlassen.”
Damit verließen die drei die
Zelle. Holger dachte daran zurück, mit wie wenig Hoffnung er und Debbie noch
vor zwanzig Minuten hier gesessen hatten, und er konnte nicht anders, als die
Entwicklung als durchaus positiv zu betrachten.
Wenige Minuten später standen sie
in Wegmanns Büro. Der Hauptkommissar war Holger auf den ersten Blick
unsympathisch. Seine kleinen, wild umher zuckenden Augen, mit denen er die drei
von hinter seinem Schreibtisch musterte, hatten etwas Linkisches.
„Ich habe keine Zeit”, sagte
Wegmann in grobem Ton, ohne die kleinste Begrüßungsfloskel oder auch nur zu
fragen, was ihr Anliegen sei.
„Ich denke, das hier solltest du
dir anhören”, sagte Lars.
„Von der da habe ich mir schon
genug angehört”, erwiderte Wegmann und deutete auf Debbie. „Steck sie zurück in
ihre Zelle.”
„Wir haben die Systematik des
Mörders entschlüsselt”, warf Holger ein. Jetzt konnte Wegmann gar nicht mehr
anders, als ihnen zuzuhören. Alles andere wäre von nun an unverantwortlich.
„Natürlich haben Sie das”,
entgegnete Wegmann mit Sarkasmus in der Stimme. „Hier sitzen hochspezialisierte
Fachleute an dem Fall, aber ein Dorfpfarrer und eine hysterische Amerikanerin,
die bisher alles daran gesetzt hat, die Ermittlungen zu behindern,
entschlüsseln einfach mal so die Systematik des Mörders.”
„Wir wissen, nach welchem Muster
er mordet und nach welchem Muster er seine Opfer auswählt. Wir wissen sogar,
wer mögliche nächste Opfer sind”, versuchte Holger noch ein letztes Mal,
Interesse in Wegmann zu wecken.
„Und ich habe herausgefunden,
welches Muster er auf seinen Unterhosen trägt”, erwiderte Wegman.
„Du solltest es dir
Weitere Kostenlose Bücher