Virus (German Edition)
zumindest
anhören”, sagte Lars. „Alles passt zusammen.”
Wegmann wurde laut. „Ich habe
keine Zeit für die Hirngespinste von irgendwelchen Freizeit-Blödmännern. Ist
dir mal aufgefallen, wie viele Berufsblödmänner vor unserer Haustür stehen? Ich
habe genug mit denen zu tun.”
Holger fragte sich, was Debbie
Wegmann wohl an den Kopf geworfen haben musste, um ihn so zu verärgern. Offenbar
würde er den Fall lieber ungeklärt lassen, als Hilfe von ihr anzunehmen. Alle
Achtung. Debbie ließ sich nichts gefallen, sie sagte offen ihre Meinung. Was Holger
bei ihrem ersten Aufeinandertreffen im Kongresszentrum noch als so unglaublich
abstoßend empfunden hatte, begann nun, ihm zu gefallen.
„Ich muss mich geirrt haben, als
ich gestern sagte, Sie seien inkompetent und faul”, sagte Debbie, als habe sie
Holgers Gedanken gelesen. „Ich glaube, sie sind einfach nur strohdoof. A
total moron! ”
„Das reicht!” donnerte Wegmann
und eine Ader trat aus seiner Stirn hervor. „Bring die beiden zurück in ihre
Zelle, Lars. Und ich möchte nicht, dass sie dort vor Ende des Gipfels wieder
rauskommen!”
Hatte Holger vor wenigen Minuten
noch gedacht, alles werde nun einfacher werden, da sie die Polizei auf ihrer
Seite hatten? Wahrscheinlich wäre es das geworden, doch leider hatten sie die
Polizei nie auf ihrer Seite gehabt. Lediglich einen Polizisten hatten sie
überzeugen können – leider jedoch nicht den an der Spitze der Futterkette. Sie
waren wieder an dem gleichen Punkt wie vor einer halben Stunde. Eingekerkert
und ohne Hoffnung.
„Nein”, sagte Lars und trat einen
Schritt näher an Wegmanns Schreibtisch.
„Was nein?” Überrascht blickte
Wegmann Lars an.
„Die beiden haben nichts
verbrochen. Sie werden nicht zurück in die Zelle gehen.” Entschlossenheit
schwang in Lars’ Stimme mit. „Wenn du sie nicht anhören willst, dann machst du
einen Fehler. Aber wenn du sie in die Zelle zurückschickst, dann hast du ein
Problem.”
„Und was für ein Problem könnte
das sein?” fragte Wegmann schneidend.
„Bedenk doch mal, was wäre, wenn
durch eine kleine Indiskretion die Medien Wind davon bekämen, dass die beiden
ohne Grund festgehalten werden”, sagte Lars cool. „Noch dazu, nachdem Holger
angekündigt hatte, über Informationen zu den Todesfällen zu verfügen.”
Holger traute seinen Ohren kaum.
War das sein gemütlicher Freund Lars, der hier mit Coolness und Chuzpe seinem
Chef die Stirn bot?
„Du drohst mir?” Wegmanns
Gesichtsfarbe zeugte von Bluthochdruck.
„Nein, nein, natürlich nicht.”
Lars hob die Hände zu einer Geste der Unschuld. „Ich mache dich nur auf die
Gefahren aufmerksam, die eine weitere Einbehaltung der beiden mit sich bringen
würden.”
Eine Weile lang reagierte Wegmann
nicht. Offenbar wägte er seine Optionen ab. „Okay, sie können gehen”, sagte er
dann. Die drei wandten sich zum Gehen. „Du nicht, Lars, du bleibst hier. Ich
habe Arbeit für dich.”
Holger ahnte, dass die nächste
Zeit für seinen Kumpel kein Zuckerschlecken werden würde. Umso mehr bewunderte
er seinen Mut und seine Loyalität.
„Geht zu Frau Herforth”, raunte
Lars Holger zu. „Die kann euch weiterhelfen.”
„Danke Lars. Du bist ein Freund”,
erwiderte Holger, als er mit Debbie Wegmanns Büro verließ.
Wer zum Teufel war denn nun Frau
Herforth und wie sollte sie ihnen weiterhelfen, wenn selbst der leitende
Ermittler ihnen jede Hilfe verweigerte. Eine uniformierte Beamtin kam ihnen auf
dem Gang entgegen und sie erkundigten sich nach Frau Herforth. Doch auch diese
Hoffnung erwies sich als leer. Die Beamtin konnte sie nur darüber informieren,
dass Herforth ins Institut für Rechtsmedizin gefahren war.
Holger blickte Debbie an. Was
sollten sie als nächstes tun, was waren ihre Alternativen? Es blieb ihnen wohl
nichts anderes übrig, als Trébor persönlich zu warnen. Auf die Hilfe der
Polizei konnten sie jedenfalls nicht zählen.
47.
Als Milla Herforth das große,
weiße Gebäude betrat, das das Institut für Rechtsmedizin der Universität
Rostock beherbergte, hatte sie zum ersten Mal an diesem Tag das Gefühl, der
Klärung des Falls näher zu kommen. Sie hatte eine Idee, eine Theorie zum Tod
von Professor Dickinson, und die wollte sie gerne mit dem Rechtsmediziner
besprechen.
Sie hatte Dr. Tremmel angerufen
und sich mit ihm in der Cafeteria des Instituts verabredet. Gerne hätte sie
selbst mal einen Blick auf die Leiche geworfen, doch Dr. Tremmel hatte seine
Arbeit in der
Weitere Kostenlose Bücher