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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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nach.
    „Nein.”
    „Desweiteren”, fuhr Holger fort,
„würde ich von der Geschwindigkeit, die der Mörder bislang an den Tag gelegt
hat, darauf schließen, dass er nicht bis zur nächsten Nacht wird warten wollen.
Ich fürchte, der nächste Mord wird in dieser Nacht stattfinden.”

59.
    Passe kehrte zum Zeltplatz
zurück. Er hatte nicht den direkten Weg gewählt, sondern war einen längeren
Umweg gegangen, um auszunüchtern, denn für das was er vorhatte, brauchte er
einen klaren Kopf. Der Seewind hatte diesen Zweck erfüllt, so dass Passe nun in
einem Zustand war, wo er genug Alkohol im Blut hatte, um seine Ängste und
Hemmungen zu überwinden, aber zu wenig, um unbedacht oder gar leichtsinnig zu
handeln.
    Unzählige Globalisierungsgegner saßen
noch in Gruppen zusammen vor ihren Zelten, tranken Bier oder billigen Wein, grillten,
lachten, spielten Gitarre oder sangen, doch niemand sprach ihn an oder schien
auch nur Notiz von ihm zu nehmen. Gut so. Diejenigen unter den Demonstranten,
die ihn kannten, waren sowieso alle im ‚Dorfkrug’, und mit denen, die hier
geblieben waren, wollte er nichts zu tun haben.
    Der omnipräsente Geruch von Holzkohle
und gegrilltem Fleisch stieg Passe verlockend in die Nase, doch nach Essen
stand ihm nicht der Sinn. Die Aufregung und die beginnende Nervenanspannung
setzten sich kribbelnd in seinem Magen fest und verdrängten jedes Hungergefühl.
    Er zog den Reißverschluss seines
Zelts auf, trat ein und wühlte in seiner Reisetasche. Kurz darauf hatte er
gefunden, was er gesucht hatte. Er verstaute das Objekt in der großen
Bauchtasche seines Kapuzenpullis und verließ das Zelt wieder.
    Fünfzehn Minuten später befand
sich Passe im eingezäunten Bereich. Während er sich aufmerksam nach Polizei-
oder Bundeswehrpatrouillen umblickte, schlich er leicht gebeugt im Schutz des
hohen Dünengrases auf das Hotel zu.

60.
    „Noch in dieser Nacht also”,
wiederholte Herforth besorgt. Die Müdigkeit, die Anspannung und die Aussicht
auf drei weitere Morde schienen an ihr genagt zu haben, denn Debbie hatte den
Eindruck, die Ermittlerin sei nun menschlicher und nahbarer und zeige weit
weniger ihrer sachlichen Strenge als noch zu Beginn ihres Gesprächs.
    Natürlich hatte es auch Debbie
schockiert, von Holger zu hören, dass er den nächsten Mord definitiv noch in
dieser Nacht erwarte, doch insgesamt war sie mit den Entitäten der Mordserie
schon etwas länger vertraut als Herforth und hatte demnach schon mehr Zeit
gehabt, diese zu verarbeiten.
    „Wir müssen davon ausgehen, ja”,
erwiderte Holger.
    „Wir sind im eingezäunten Bereich
auf maximaler Sicherheitsstufe”, sagte Herforth. „Fast zweitausend Soldaten und
Polizisten sind heute Nacht im Einsatz. Natürlich kann es einem Menschen noch
immer gelingen, von den Patrouillen nicht gesehen zu werden. Immerhin umfasst
der Sicherheitsbereich nahezu zwanzig Quadratkilometer. Doch ein Mord sollte fast
unmöglich sein, besonders einer, der von der Inszenierung her mit den ersten
dreien konkurrieren kann.”
    Sie atmete tief durch und goss
sich einen neuen Kaffee ein.
    „Bleibt uns also nur, zu hoffen,
dass unsere Patrouillen den Mörder bei einem Mordversuch erwischen, nach
Möglichkeit, bevor er die Tat vollenden kann.”
    „Und was ist mit uns?” erkundigte
sich Debbie. Hatte das BKA immer Personenschützer vorrätig, oder würden sie in
ihrer Zelle warten müssen, bis einer geliefert wurde?
    „Was?” Sie schien Herforth aus
ihren Gedanken gerissen zu haben. „Ach so, natürlich. Sie sind frei. Sie können
gehen. Ich werde alles veranlassen. Man wird Ihnen unten Ihre persönlichen
Gegenstände zurückgeben. Dann wird Sie ein Kollege zu ihrem Hotel bringen. An
der Durchfahrt zum Sicherheitsbereich wird ein Personenschützer auf Sie warten,
der Sie fortan begleiten wird. Wie klingt das?”
    Debbie wusste nicht, was sie
sagen sollte. So schrecklich und grausam die Mordserie auch war, und so viel
Angst ihr  die Aussicht, eines der nächsten Opfer zu sein, auch einflößte,
fühlte sie sich doch sicherer als irgendwann zuvor seit dem Mittagessen.
    Etwas mehr als eine halbe Stunde
später hielt der Streifenwagen, in dessen Fond Debbie und Holger saßen, an der
Durchfahrt zum eingezäunten Bereich, wo ein Mann Mitte dreißig durch die
Beifahrertür einstieg und sich als Georg Jäger vorstellte. Er war von
durchschnittlicher Größe, hatte eine sportliche Figur und ein aufgewecktes
Gesicht. Die Haare trug er modisch kurz geschoren und

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