Virus (German Edition)
den Kopf und guckte Herforth
offen in die Augen.
„Jemand musste etwas tun”, sagte
er nahezu tonlos. „Jemand musste ein Zeichen setzen.”
Herforth warf dem uniformierten
Beamten, der an der Tür stand, einen ernsten Blick zu. Dieser verstand und nahm
eine reaktionsbereite Haltung an. Hausmann war im Begriff, ein Geständnis
abzulegen, offenbar befanden sie sich tatsächlich mit einem psychopathischen
Serienkiller gemeinsam in dem Raum. War es möglich? War der Fall geklärt? Irgendwie
mochte sich das Gefühl, am Ziel zu sein, nicht recht einstellen. Es war zu
einfach. Häufig legten Zeugen falsche Geständnisse ab, um sich wichtig zu
machen.
„Sie geben also zu, die Morde an
den vier Professoren verübt zu haben?” fragte sie nach.
„Drei”, korrigierte Hausmann sie.
„Es waren nur drei.”
In diese Falle war er also nicht
getappt. Allzu subtil hatte Herforth sie allerdings auch nicht gestellt.
„Wie waren die Namen Ihrer Opfer?”
fuhr Herforth mit den Fragen fort.
„Meng Hong, Dickinson und Trébor.”
„Wieso haben Sie es auf
Epidemiologen abgesehen?”
„Habe ich das? Trébor war
Virologe.”
„Auf welche Art und Weise haben
Sie die Opfer getötet?”
„Meng Hong durch Strom. Dickinson
habe ich ertränkt und Trébor vergiftet.”
Herforth nippte an ihrem Kaffee
und überlegte. Bislang hatte sie Hausmann in keine Falle locken können.
Andererseits hatte er alles, was sie ihn bislang gefragt hatte, der Presse
entnehmen können. Sie beschloss, ihre Fallen unauffälliger zu stellen und
lieber die Fragen zu stellen, auf die sie vom Mörder wirklich gerne eine
Antwort hätte. War Hausmann der Mörder, so bekam sie ihre Antworten. War er es
nicht, würde er sich vielleicht auf diese Weise verraten.
„Wie haben Sie den Blitz erzeugt,
mit dem Sie Professor Meng Hong ermordet haben?” fragte sie schließlich.
Hausmann blickte sie unverhohlen
an.
„Das würden Sie gerne wissen,
was?”
„Das würde ich, ja.”
„Vielleicht erzähle ich es Ihnen
später einmal. Jetzt nicht.”
Der Junge war nicht dumm. Es war
eine nicht unübliche Strategie von Serientätern, Details ihrer Taten erst nach
und nach preiszugeben. Es versetzte sie in eine Position von Macht gegenüber
den Ermittlern. Sie verfügten über Wissen, das sie nicht teilten. Sie hatten,
was ihre Gegner gerne hätten.
Ted Bundy, der wahrscheinlich
berühmteste Serienkiller der Geschichte, hatte sich sein Wissen sogar zunutze
gemacht, um seine eigene Hinrichtung hinauszuzögern. Immer wieder hatte er kurz
vor seinen Exekutionsterminen vage den Fundort eines weiteren Opfers
bekanntgegeben. Da aus dem Kreis der Opferangehörigen ein natürliches Interesse
am Auffinden des Leichnams zwecks ordentlicher Bestattung bestand, hatte man
stets die Hinrichtung aufgeschoben, bis die Leiche entdeckt war.
Herforth blickte tief in
Hausmanns Augen. Was sagten sie ihr? War er ein Serienkiller, der
Machtspielchen spielte, oder wusste er einfach nicht, wie der Blitz erzeugt
worden war, weil er nichts mit dem Mord zu tun hatte? Es war nicht auszumachen.
Seine Augen blieben stumm.
„Wie haben Sie Professor
Dickinson in der Ostsee ertränken können, ohne dabei von den Patrouillen gesehen
zu werden?” fragte sie schließlich. Über Meng Hongs Tod würde sie nichts
erfahren. Da konnte sie es ebenso gut mit einer erneuten Falle versuchen.
„Ich habe Professor Dickinson
nicht in der Ostsee ertränkt”, erwiderte Passe, ohne den Blickkontakt abzubrechen.
„Ich habe sie in Blut ertränkt und dann in die Ostsee geworfen.”
Herforth stutzte. Die Sache mit
dem Blut war nirgendwo in der Presse erschienen. Niemand außerhalb des
Ermittlungsapparats konnte davon wissen. Niemand außer dem Killer. Oder gab es
noch eine weitere Möglichkeit? Übersah sie etwas?
„Wie haben Sie den Leichnam ins
Meer geschafft?” fragte sie weiter.
„Ihre Patrouillen waren nicht
gerade aufmerksam. Es war ein Kinderspiel, unbemerkt den Strand zu überqueren”,
antwortete Hausmann.
„Die Patrouillenführer sagen, das
sei ausgeschlossen.”
„Was würden Sie in deren
Situation sagen?”
Hausmann machte es sich leicht.
Es war natürlich unmöglich herauszufinden, ob die Patrouillenführer gelogen
hatten. Sollte sie als Polizistin nicht ihren Kollegen glauben? Aber woher
wusste Hausmann von dem Blut in der Lunge?
„Wie sind Sie in den eingezäunten
Bereich gelangt?” fuhr sie fort.
„Es gibt einen geheimen Tunnel.”
„Wer hat den Tunnel gebaut?”
Herforth
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