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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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hinter der Bühne
und Großbild Plasma-Fernseher zu beiden Seiten, jeweils mit ausladenden Blenden
gegen das Sonnenlicht geschützt, sicherten auch den hinteren Reihen eine gute
Sicht auf das Geschehen.
    Debbies Theorie schien
zuzutreffen, denn auf der Leinwand und den Bildschirmen liefen zu diesem
Zeitpunkt Live-Bilder vom Marktplatz in Petersdamm. Medienvertreter aus der
ganzen Welt würden auf diese Weise Zeugen des vierten Mords werden.
    Abgerundet wurde der Aufbau an
Technik durch enorme Lautsprechertürme, die das in die Mikrophone Gesprochene
zu den Zuhörern tragen würden. Zahllose Kamerateams hatten sich zwischen der
Bühne und den Stuhlreihen aufgebaut. Die Menge der Anwesenden war
unbeschreiblich. Ein Hotdog-Verkäufer hätte hier ein Vermögen machen können.
Dann hätte lediglich noch ein Karussell gefehlt, um dem Ganzen
Volksfestcharakter zu verleihen.
    Holger musste einsehen, dass
Somniak sich nicht verkalkuliert hatte. Man hatte ihm die größte nur
erdenkliche Bühne für seine Botschaft gebaut. Allerdings hatte er nicht damit
gerechnet, dass Holger seinen Namen und die CIA seine Identitäten entschlüsseln
würde. Zu dieser Pressekonferenz würde es nie kommen. Sie waren gerade noch
rechtzeitig eingetroffen.
    Allerdings stellte sich ihnen nun
ein neues, unerwartetes Problem in den Weg: die deutsche Polizei. Agent Browers
argumentierte mit dem Beamten, der den Einsatz bei der Pressekonferenz zu
leiten schien. Doch sensibilisiert durch die knallharte Medienschelte, die die
deutsche Polizei für die Verhaftung Somniaks erhalten hatte, war man offenbar tunlichst
darauf bedacht, seinen Auftritt unter allen Umständen und vor allen
Eventualitäten zu schützen.
    Holger fragte sich, ob auch dies
Teil von Somniaks Plan gewesen war, eine Art Notfallplan, falls man ihm auf die
Schliche kam, und beschied, dass der Killer einfach nur Glück gehabt hatte. In
seiner Arroganz, mit der er unter anderem seinen Namen gewählt hatte, hatte er
mit Sicherheit an die Notwendigkeit eines Notfallplans nie auch nur einen
Gedanken verschwendet.
    Verzweifelt zog Holger sein Handy
hervor und wählte Debbies Nummer. Vielleicht konnte Driver ihnen helfen.

99.
    Debbie war nicht mehr als
beeindruckte Zuschauerin bei einem der wohl imponierendsten Beispiele für die
Vorzüge moderner Kommunikation der jüngeren Geschichte.
    Sie sah, wie Driver sein Handy
zückte und eine Nummer wählte. Sie verstand nicht viel, von dem, was er sagte,
doch er musste sich militärisch knapp gefasst haben, denn nach nur fünf
Sekunden war das Gespräch beendet. Das Einzige, was sie verstanden hatte, waren
die Worte ‚Mr. President’.
    Weniger als dreißig Sekunden
später, noch immer war jeder Einzelne auf dem Marktplatz in den Bann des
Posaunentons gezogen, klingelte Herforths Handy. Auch von diesem, nicht minder
knappen Gespräch konnte Debbie nichts aufschnappen, mit Ausnahme von Herforths
finalen Worten ‚Auf Wiederhören, Frau Kanzlerin’. Indem sie auflegte, schritt
Herforth auf Driver zu und fragte mit einer kapitulierenden Geste: „Okay. Wie
können wir Ihnen helfen?”
    Debbie hatte Mühe zu glauben, wovon
sie soeben Zeuge geworden war, allerdings auch keine Zeit, sich Gedanken
darüber zu machen, denn in dem Moment klingelte ihr Handy. Es war Holger.
    „Es muss unter allen Umständen
verhindert werden, dass die Türen des Aufliegers geöffnet werden”, wies Driver
Herforth an. Debbie hörte nur mit einem Ohr zu, während sie mit Holger sprach.
„Zudem muss die Fernsehkamera konfisziert werden, und es darf kein weiteres Wir-und-Sie
geben. Wir ziehen alle an einem Strang.”
    Herforth nickte und wollte sich
soeben zu ihren Leuten umdrehen, um Befehle zu erteilen, als Debbie ihren Arm
ergriff.
    „Und Sie müssen ihre Kollegen bei
der Pressekonferenz informieren, Somniak festzunehmen. Er ist unser Killer.”
    „Was?” Herforth starrte sie
entgeistert an. „Somniak ist unser Killer?”
    –––––
    Es war soweit, die Zeit der
Wahrheit war gekommen. Ohrenbetäubender Jubel schlug Jo Somniak entgegen, als
er die Bühne betrat. Schon bevor er überhaupt auch nur ein Wort gesprochen
hatte, gab man ihm standing ovations, nicht einen im Publikum hielt es auf
seinem Stuhl.
    Er blickte über das Meer seiner
Fangemeinde und bekämpfte einen kurzen Anflug von Übelkeit. Sensationsgeile
Geier. Jeglicher verbaler Durchfall, der irgendeinem Prominenten aus der Kehle
quoll, bedeutete ihnen mehr als das Wort Gottes. Sie alle hatten für

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