Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
Vom Netzwerk:
immer stand Passe regungslos
vor seiner Pritsche. Er hatte kein Wort von dem verstanden, was der Polizist
gesagt hatte, doch es klang, als stehe es ihm frei, zu gehen.
    „Sie werden Meldeauflagen
erhalten, denn wir ermitteln immer noch wegen des Graffitis gegen Sie”, fuhr
der Polizist fort, während er Passe mit sanftem Druck aus der Zelle schob.
„Aber wegen Sachbeschädigung wird natürlich niemand in Untersuchungshaft
gehalten.”
    Das Ausfüllen der
Entlassungspapiere und die Rückgabe seiner persönlichen Gegenstände war schnell
über die Bühne gebracht, und fünfzehn Minuten später geleitete der untersetzte
Polizist Passe zum Ausgang des Gebäudes. Er würde Dora wiedersehen. Er würde
sich bei ihr entschuldigen, er würde seine Radikalität ablegen, er würde
aufhören, ein Idiot zu sein. Sie hatte ihm ein Alibi gegeben. Einen größeren
Beweis ihrer Liebe konnte er sich kaum ausmalen.
    Er ging im Kopf bereits durch,
was er Dora zu sagen beabsichtigte, wie er sie zurückzugewinnen gedachte, als
ihnen im Treppenhaus ein weiterer Beamter entgegenkam, hochgewachsen und dick,
mit speckigen Wangen, auf denen er buschige Koteletten trug.
    „Ist das Hausmann?” fragte der
füllige Gegenverkehr.
    –––––
    Eine halbe Stunde später saß
Passe in einer der GeSas, der provisorischen Gefangenen Sammelstellen in der
Nähe von Petersdamm. Es handelte sich um eine zweckentfremdete Turnhalle, die
durch kleinere bauliche Maßnahmen zu einem leidlich sicheren Gefängnis für
Gewaltbereite umfunktioniert worden war.
    Der speckige Polizist hatte sich
als Überbringer schlechter Nachrichten entpuppt, in diesem Falle eines Berichts
der kriminaltechnischen Untersuchung. Man hatte seine Kleidung aus seinem Zelt
konfisziert und mit Überwachungsvideos der letzten Tage verglichen. Dummerweise
hatte man ihm dadurch eindeutig nachweisen können, zwei Tage zuvor den
Molotow-Cocktail auf den Polizeiwagen geworfen zu haben. Eine Untersuchungshaft
hatte man zum Glück immer noch nicht für nötig befunden, doch man hatte
sicherstellen wollen, dass er für die Dauer des Gipfels aus dem Verkehr gezogen
war, und so saß er nun in der GeSa und grübelte erneut über sein Leben.
    Natürlich war die
Sachbeschädigung, die man ihm nun vorwarf, weitaus schwerwiegender als zuvor,
doch er würde bestimmt mit einer Bewährungsstrafe davonkommen. Er musste, denn
er musste Dora zurückgewinnen. Ohne sie, so wurde ihm in diesem Moment
schmerzhaft klar, hatte sein Leben einfach keinen Sinn.
    Hätte er die Polizeidirektion
fünf Minuten früher verlassen, wären sie dem speckigen Blödmann nie begegnet.
Bis man ihn dann erneut gefasst hätte, hätte er genug Zeit gehabt, mit Dora zu
sprechen und alles geradezurücken. Hätte er doch bloß in der Zelle nicht so
lange gezögert, dem Beamten zu folgen. Wie paralysiert hatte er dagestanden,
unfähig sich zu bewegen. Oder hätte der Beamte sich mit dem Ausfüllen der
Entlassungspapiere doch ein wenig mehr beeilt.
    Hätte, wäre, wenn. Es half
nichts. Er saß in der GeSa und würde diese für die Dauer des Gipfels nicht mehr
verlassen.
    Dora hatte ihm ein Alibi gegeben!
    Sie musste ihn lieben.
    Alles, was ihm blieb, war zu
hoffen, dass er sie nach dem Gipfel noch einmal wiedersehen würde.

104.
    Debbie stand etwas planlos
inmitten des Petersdammer Marktplatzes. Um sie herum gingen kriminalistische
Spezialisten verschiedener Bereiche konzentriert ihren Jobs nach, denen sie
natürlich nicht im Weg sein wollte. Andererseits wollte sie den Tatort nicht
verlassen, um eventuelle neue Entwicklungen stets schnell erfahren zu können.
    Immerhin hatte man noch immer
keinen Ansatz, wer das fünfte Opfer sein könnte. Die CIA-Computer hatten keinen
weiteren vermissten Viro- oder Epidemiologen finden können. Offenbar musste für
das fünfte Opfer wieder eine andere Idee herhalten, die sich aber noch mit dem
allgemeinen Algorithmus der lokalen Infektionsketten vereinbaren ließ.
    Obwohl sie nicht den Hauch einer
Ahnung hatte, in welcher Richtung sie suchen könne, spielte Debbie mit dem
Gedanken, vielleicht doch lieber ins Hotel zurückzukehren, um im Internet zu
recherchieren, als ihr Blackberry ihr den Eingang einer Email signalisierte.
Sie navigierte sich in ihren Posteingang und fand eine Nachricht von Physik-Professor
Russell Milton vor. Plötzliche Aufregung durchfuhr sie und ihre Finger begannen
leicht zu zittern, als sie den Posteingang öffnete.
    Russell entschuldigte sich für
die Verzögerung

Weitere Kostenlose Bücher