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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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Bildschirm die einzige Lichtquelle im Raum darstellte, zu. Anschließend
trat er an eines der Fenster, deren Vorhänge er als eine zunächst völlig übertrieben
wirkende Vorsichtsmaßnahme zugezogen hatte, öffnete sie einen winzigen Spalt
und spähte hindurch. Sollte sich nun herausstellen, dass die Maßnahme doch
nicht ganz so übertrieben war, wie er es zunächst angenommen hatte? Oder hatte
die lange Zeit des unproduktiven Herumsitzens ihn einfach übersensibel gemacht?
    Mit geschultem Blick erfasste er
die Schatten der angrenzenden Gebäude, ihre Dächer und die am Straßenrand
geparkten Fahrzeuge. Wenn sich Unheil näherte, so wusste er aus seiner
jahrelangen Erfahrung, dann niemals im Schein der Laternen.
    In der Tat war keine
Menschenseele auf der Straße zu sehen, doch trotzdem wusste Bobby sofort, dass
sein Instinkt ihn auch dieses Mal nicht im Stich gelassen hatte. An einer von
einer Straßenlaterne spärlich beleuchteten Häuserwand sah er den Schlagschatten
eines hinter einem Busch versteckten bewaffneten Mannes. Die seltsame Kopfform
des Bewaffneten ließ darauf schließen, dass er ein Atemschutzgerät trug.
    Dies konnte nur eines bedeuten. Um
Schusswechsel zu vermeiden, wurden gefährliche Kriminelle, wenn sie sich in
einem geschlossenen Raum aufhielten, vor der Festnahme durch Betäubungsgas
außer Gefecht gesetzt. Die Beamten des Einsatzkommandos trugen dann Atemschutz,
um sich selbst vor dem Gas zu schützen. Es bestand kein Zweifel – der Mann war seinetwegen
hier. Und er war mit Sicherheit nicht alleine gekommen.

124.
    Mit militärischer Präzision und
nahezu lautlos drang das mobile Einsatzkommando der Landespolizei
Mecklenburg-Vorpommern in die Pension ein. Nach und nach wurde zunächst das
komplette Erdgeschoss mit dem Essenssaal und anschließend das Obergeschoss mit
den Zimmern gesichert.
    Vor dem Eindringen hatte man kurz
kontrovers diskutiert, ob die übrigen Pensionsgäste vor dem Zugriff in
Sicherheit zu bringen waren. Natürlich wollte man sie aus dem Schussfeld haben,
doch der Anblick eines MEKs verursachte häufig eine gewisse Panik bei Menschen
und das wollte man unter keinen Umständen riskieren. Man wusste um die
militärische Vergangenheit des Killers und wollte vermeiden, dass er der
Beamten vor dem Zugriff gewahr wurde.
    Schließlich standen die Beamten
vor dem Raum, in dem sie nach wie vor das Mobiltelefon des Verdächtigen
orteten. Mit einer schweren Ramme stießen sie die Tür auf und warfen eine
Betäubungsgranate in das Zimmer. Sie gaben dem Gas einen kurzen Augenblick, um
zu wirken, dann stürmten sie mit Atemschutzmasken in den kleinen Raum.
    Er war leer.

125.
    Weniger als fünf Minuten nachdem
das MEK sein leeres Pensionszimmer gestürmt hatte, näherte sich Bobby dem in
einem kleinen Wäldchen hinter Büschen versteckten Eingang zum Tunnel, der in
den eingezäunten Bereich führte.
    Er wusste nicht, wie sie auf ihn
gekommen waren, doch er wusste, dass er Deutschland nicht auf dem geplanten
Wege würde verlassen können. Er brauchte eine Geisel und es gab nur einen
Menschen auf dieser Erde, der ihm dafür als geeignet erschien.
    Wie er es erwartet hatte, hatte
der junge Globalisierungsgegner der Polizei von dem Tunnel berichtet, um seine
Aussagen zu untermauern. Dies war unschwer an den beiden Polizisten zu
erkennen, die den Eingang bewachten. Bobby hatte keine Mühe mit ihnen. Lautlos
durchschnitt sein Jagdmesser die Kehle des ersten Beamten. Der zweite hatte den
Tod seines Kollegen noch nicht einmal bemerkt, als Bobby ihm von hinten das
Genick brach.
    Im Laufschritt durchquerte er die
etwa dreihundert Meter lange Röhre aus mit einfachsten Holzstreben gestützter
Erde, wobei ihm eine Taschenlampe den Weg leuchtete.
    –––––
    Peter Wegmann hielt seit
inzwischen fast zwanzig Minuten seine Dienstwaffe in der Hand. Zweimal schon
hatte er sie gegen seinen Kopf geführt, doch abzudrücken hatte ihm bislang der
Mut gefehlt. Zunächst hatte er sie sich an die Schläfe gehalten, sie aber nach
einer Minute verzweifelten Kampfes mit sich selbst wieder sinken lassen. Beim
zweiten Versuch hatte er sich die Pistole in den Mund gesteckt, doch auch dieses
Mal hatte die Todesangst seinen Abzugsfinger gelähmt.
    Noch immer saß er in seinem Auto
nahe der technischen Sperre im eingezäunten Bereich, doch Fortschritte in
seinem Vorhaben hatte er bislang keine gemacht.
    War er wirklich so schwach? Was
für ein erbärmlicher Verlierer war er bloß? Die Antwort war leicht.

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