Virus (German Edition)
es gab keine Spur,
die zu ihm führte.
Als Ersatz für die mangelnde
Bewegung diente ihm die Vorfreude auf das, was am kommenden Tag geschehen
würde. Nur um Debbies Tod live und hautnah mitzuerleben, war er überhaupt noch
hier. Prinzipiell hätte er nach dem Mord an Trébor abreisen können, denn wie
für Tran und Makinwa hatte man auch für Debbie Vorkehrungen getroffen, die
seine Anwesenheit überflüssig machten. Doch es würde ihm ein Genuss sein, die
Frau, die seine Werbungsversuche so ausdauernd und konsequent abgewiesen hatte,
die er so sehr liebte und für ihre Nichterwiderung seiner Liebe so sehr hasste,
qualvoll aus dem Leben scheiden zu sehen. Dieser Anblick würde definitiv zwei
weitere Tage in dem Pensionszimmer wert sein. Schließlich und endlich war es
sein Hass auf Debbie gewesen, der Somniak in einem Internet-Forum auf ihn hatte
aufmerksam werden lassen.
Debbie. Mit einem Lächeln im
Gesicht dachte Bobby daran zurück, wie er ihr vermeintlich bei der Lösung des
Falls geholfen hatte. Er hatte sie auf die Spur Tran Quoc Tuans geführt, wenn
auch natürlich mit dem sicheren Wissen, dass dem Vietnamesen sowieso nicht zu
helfen war. Doch es hatte seinen Zweck erfüllt und effektiv von seiner eigenen
Täterschaft abgelenkt. Niemals würde Debbie erfahren, dass er der Killer war.
Ein wenig bedauerte er das, doch es war nicht zu ändern.
Ihm reichte die Gewissheit, ihr
vollkommenes, bedingungsloses Vertrauen zu seinen Zwecken ausgenutzt zu haben.
Für jedes Detail hatte sie ihn um Rat gefragt, nicht im Entferntesten ahnend,
dass es sich bei ihm um ihren Mörder handelte. Auf diese Weise hatte er sie
sogar auf die Mutation des Virus’ und somit auf das Ausmaß seiner Drohung
aufmerksam gemacht und dadurch en passant verhindert, dass der Gipfel abgebrochen
wurde. Sie war nicht mehr als seine Marionette gewesen, und es entbehrte nicht
einer gewissen Ironie, dass es eine ihrer eigenen Strippen war, die er im
letzten Akt seiner Inszenierung um ihren Hals legen würde.
Mit nicht minderem Stolz dachte
Bobby an seine Einschätzung des jungen Globalisierungsgegners zurück. Auf seine
Menschenkenntnis war auch dieses Mal wieder Verlass gewesen. Er hatte den
kleinen Fanatiker geschickt mit Informationen über die Morde und den geheimen
Tunnel versorgt, ahnend, dass dieser sich mit den fremden Lorbeeren schmücken
würde.
Natürlich hatte er gewusst, dass
der Mordverdacht gegen den Jungen nicht lange aufrecht erhalten werden würde,
doch immerhin hatte er die Polizei beschäftigt und von der Suche nach dem
wahren Täter abgelenkt. Inzwischen hatten sie ihren Täter und keinen Grund,
davon auszugehen, dass es einen weiteren gab. Bobby war sicher. Alles hatte
perfekt funktioniert.
Zumindest aus seiner Sicht. Für
Somniak war es nicht ganz so perfekt gelaufen. Das Debakel bei der Pressekonferenz
hatte ihm die Möglichkeit genommen, seine Botschaft in die Welt zu tragen und
wenn Makinwa überlebte, dann war auch die perfekte Inszenierung der Morde
dahin. Doch das störte Bobby nicht. Er war weder religiös, noch interessierte
es ihn, ob ein nigerianischer Forscher lebte oder starb. Er brauchte Makinwa
nicht, denn seine Drohung hatte er bereits vor der fünften Posaune klar
gemacht. Er hatte den Afrikaner nicht einmal mehr mit SARS infiziert – die
Notwendigkeit hierfür hatte schlichtweg gefehlt.
Für einen kurzen Moment begann
sein Herz zu rasen, als er sich mit tiefer Bewunderung für Debbies überlegene
Intelligenz fragte, wie sie auf Makinwa gekommen war. Und auf Trébor zuvor. Um
ein Haar hätten sie ihn erwischt. Das Einzige, was ihre Intelligenz übertraf,
war ihre Schönheit. Oh, Gott, wie er sie liebte. Wie er sie hasste.
Er zwang den Gedanken aus seinem
Kopf und ließ seinen Puls wieder Ruhe finden. Es war unwichtig. Debbies Leben
interessierte ihn nicht mehr. Das Einzige, was ihn noch interessierte, war ihr
Tod und der Geldfluss auf seine Konten. Und beides würde unumgänglich
passieren.
Doch plötzlich fuhr ein
Adrenalinstoß in seine Glieder und jeder Muskel in seinem Körper spannte sich
an. Bobby konnte nicht erklären, was soeben passiert war. Hatte er etwas
gehört, einen Lichtreflex an der Zimmerdecke gesehen, eine Vibration gespürt?
Oder war es vielleicht einfach ein siebter Sinn? Er wusste es nicht. Es war ein
Instinkt, den er seit seiner Zeit bei den Navy Seals hatte, und dieser
hatte ihn bislang nie betrogen. Irgendetwas stimmte nicht.
Er erhob sich und klappte seinen
Laptop, dessen
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