Virus (German Edition)
nicht weiter schlimm, denn genau dafür würde er
ja eine Geisel haben. Dennoch war ihm später lieber als früher.
Er durchsuchte die Taschen des in
die Brust getroffenen Mannes, fand aber leider nicht, wonach er suchte. Es wäre
ihm lieber gewesen, den anderen Agenten nicht mehr ansehen zu müssen, denn
Gesichtsschüsse hinterließen selten einen angenehmen Anblick, doch es führte
kein Weg daran vorbei.
Darum bemüht, dem Mann nicht
direkt ins Gesicht zu gucken, drehte er ihn auf den Rücken und durchsuchte sein
Jackett. In der Innentasche fand er endlich, was er benötigte. Die Schlüsselkarte
zu Debbies Zimmer.
„Surprise!” rief er, nachdem er sich
vermittels der Karte Zutritt zu der Suite verschafft hatte.
Ein unbeschreiblicher Stoß an
Endorphinen durchfuhr ihn, als er in die von schrecklicher Todesangst erfüllten
Gesichter seiner großen Liebe und ihres harmlosen Beschützers blickte. Wie
hatte er jemals auch nur entfernt mit dem Gedanken spielen können, Debbie nicht
Auge in Auge gegenüber zu treten, bevor er sie tötete? Sie musste wissen, dass
er es war.
„Bobby”, entfuhr es ihr mit
nahezu bis zur Tonlosigkeit zitternder Stimme.
„Wenigstens erkennst du mich”,
erwiderte er. Es schmerzte, sie zu sehen, doch umso größer würde die Erlösung
sein, sie endlich tot zu wissen.
Plötzlich und unvermittelt
schnellte der Pfarrer hervor und warf sich auf ihn. Doch selbst das
Überraschungsmoment, das sich zweifelsohne auf Seiten seines Angreifers befand,
konnte die Ungleichheit des Kampfes nicht ausbügeln. Mit einem blitzschnellen
Reflex seines linken Arms wehrte Bobby den Angriff ab, ein einziger Hieb seiner
rechten Faust zur Schläfe des Pfarrers reichte anschließend aus, um diesen ins
Reich der Träume zu schicken.
„Mutig”, sagte Bobby sachlich und
anerkennend, als er über den regungslosen Körper seines Angreifers stieg und
auf Debbie zuging.
„Wieso, Bobby?” fragte diese mit
zitternder Stimme und Tränen der Angst in den Augen. Oh, Gott, wie ihre Angst
ihn erregte. „Wieso?”
Ohne eine Antwort zu geben, griff
er nach ihrem Arm und zerrte sie aus dem Zimmer. Augenblicke später standen sie
vor dem Aufzug.
„Bobby, wieso?” fragte Debbie
erneut.
„Das kannst du dir nicht denken, babe ?”
„Ist es wegen mir? Nur wegen mir
hast du all diese Menschen ermordet?”
Er antwortete nicht. Es gab
nichts mehr zu sagen. Und sich mit ihr zu unterhalten, schmerzte. Plötzlich drehte
sich Debbie zu ihm um, legte einen Arm um seinen Hals und gab ihm mit
zitternden Lippen einen Kuss auf die Wange.
„Ich wusste doch nicht, wie ernst
es dir war”, sagte sie. „Wir können doch über alles reden, Bobby.”
Von einem Moment auf den anderen
war er wie gelähmt. Eine Hitzewelle überkam ihn, sein Bauch schien vor umher surrenden
Heuschrecken zu brummen und er war außerstande, einen klaren Gedanken zu
fassen. Liebte sie ihn wirklich? Hatte er seine Werbungsversuche nicht klar
genug artikuliert? Hatte sie womöglich nur Angst gehabt, für ihn eine seiner
vielen Affären zu sein? Seine Hand legte sich auf ihren Rücken und begann, ihn
sanft zu streicheln.
In dem Moment erreichte der
Aufzug ihr Stockwerk und die Tür öffnete sich mit einem leisen Gong. Der Ton
war nicht laut, doch er reichte völlig aus, Bobby aus seiner tranceähnlichen
Apathie aufzuwecken.
„Netter Versuch, babe ”,
sagte er und stieß Debbie unsanft in den Lift.
„Ich meine es ernst”, sagte
Debbie mit tränenerstickter Stimme und machte erneut einen Schritt auf ihn zu.
Doch er würde nicht auf sie hereinfallen und er hatte auch keine Zeit, sich
damit auseinanderzusetzen. Er brauchte jeden klaren Gedanken, den er fassen
konnte. Es bestand die Möglichkeit, dass bereits Sicherheitskräfte alarmiert
waren und in der Lobby auf ihn warteten.
Er drehte Debbie mit festem Griff
herum, so dass sie mit dem Gesicht zur Fahrstuhltür und mit dem Rücken zu ihm
stand. Dann legte er seine rechte Hand um ihren Hals, jeden Moment in der Lage,
ihr das Genick zu brechen, während seine linke ihr die Sig Sauer an die Schläfe
drückte. Sie war sein Schutzschild.
Er musste nur entkommen. Die
Virenbomben waren immer noch völlig real und seine Nummernkonten ebenfalls.
Wenn er von hier fliehen konnte, dann würde er als steinreicher Mann ein Leben
in Luxus führen, auf irgendeiner fernen Insel, die sich dem Zugriff der G8
durch Neutralität entzog.
Und mit Debbie als lebendigem
Schutzschild sah er keinen Grund, warum er nicht
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