Virus (German Edition)
ein paar Parksünder sein, hatte er
damals gedacht, aber er würde seinen Beitrag leisten.
Vielleicht würden sie
eines Tages in Schwerin auf ihn aufmerksam werden, wenn er seinen Job nur gut
genug machte. Vielleicht würde er eines Tages befördert werden und mit etwas
Glück würde es bis zum LKA oder sogar bis hinauf zum BKA reichen. Dann würde er
sogar einen großen Beitrag dazu leisten können, die Welt ein bisschen besser zu
machen.
Heute konnte Wegmann
kaum noch fassen, wie naiv er damals gewesen war.
Der Anruf aus
Schwerin war nie gekommen, aber Wegmann hatte schnell gelernt, wie diese Welt
funktionierte. Man konnte sie nicht verbessern. Man konnte sich nur bestmöglich
in ihr arrangieren. Er hatte von seinen älteren Kollegen gelernt, wie man die
Hand aufhielt und wie man sämtliche dienstlichen Vorgänge auf dem Weg des
geringsten Widerstands abschloss.
Im Laufe der Jahre
hatte er sogar selbst eine gewisse Kreativität im Finden von Mitteln und Wegen
entwickelt, mit möglichst wenig Arbeit möglichst weit zu kommen. Auf diese Art
und Weise hatte er es immerhin bis zum Hauptkommissar gebracht und neben seinem
normalen Lohn immer noch eine kleine Extramark mit nach Hause gebracht.
So funktionierte
diese Welt eben.
Ein leises Grinsen
schlich über sein Gesicht, als er daran dachte, mit welchem Idealismus er
seinen Job begonnen hatte. Idealisten waren nichts weiter als dumm. Das sah man
ja auch an diesem linken Pack, das noch am Nachmittag die Randale am Kongresszentrum
veranstaltet hatte. Diese roten Zecken glaubten, Weltverbesserer zu sein,
während sie in Wirklichkeit nur die Ziellosigkeit ihres Seins zu vertuschen
versuchten, um irgendwann festzustellen, dass sich die Welt nicht verbessern
ließ, und sie noch immer arbeitslos waren. Dann würde ihre Einstellung sich um hundertachtzig
Grad drehen. Sie würden diese Welt hassen, zu Alkoholikern werden und aus
Langeweile Parksünder, die sie vom Fenster ihrer Sozialwohnungen aus
beobachteten, der Polizei melden.
Er dagegen hatte sich
arrangiert. Er hatte ein Haus, eine Frau, zwei Kinder, einen Hund und einen
kleinen Garten. Und das alles für den äußerst geringen Preis seiner
Wertvorstellungen und seiner Integrität. Billiger bekam man das heute nicht
mehr.
Diese Gedanken ließen
ihn seine Wut über die späte Stunde fast vergessen. Worüber beklagte er sich
eigentlich? Ein schrecklicher Unfall war passiert. Da konnte man nichts dran
machen. Aber dank seiner besonnenen Gespräche mit dem Notarzt und dem
Brandursachenermittler würde es ihn außer den heutigen kaum weitere Überstunden
kosten.
Nunmehr zufrieden
über die glimpfliche Entwicklung erhob er sich, um zu gehen, als seine Bürotür
ohne Klopfen geöffnet wurde, und ein Mann das Büro betrat. Der Mann war Mitte
fünfzig, nicht besonders groß, aber schlank. Er hatte ruhige Gesichtszüge,
kurze, größtenteils graue Haare, trug einen gut sitzenden und nicht ganz
preiswerten Anzug und strahlte eine Aura von Überlegenheit und Macht aus.
Wegmann erkannte ihn
sofort. Es war Herbert Bruncke höchstpersönlich, der Leiter des
Bundeskriminalamts.
„Kommissar Wegmann?”
fragte Bruncke höflich.
Wegmann musste sich
sammeln. Brunckes Besuch konnte nichts Gutes bedeuten. Was wollte das BKA von
ihm? Was wollte der Leiter des BKAs von ihm?
„Ja”, war alles, was
Wegmann zunächst zu erwidern in der Lage war. Er war verunsichert.
Bruncke trat an
Wegmanns Schreibtisch, bot ihm die Hand an und stellte sich vor. Wegmann war
sich sicher, dass Bruncke wusste, dass er eigentlich keiner Vorstellung
bedurfte, und fragte sich, ob er sich dadurch einen Vorteil für das folgende
Gespräch erhoffte. Wahrscheinlich wollte Bruncke seinem Gegenüber das Gefühl
geben, auf der gleichen Stufe zu stehen, um durch die Ungezwungenheit, die er
dem Gespräch damit verlieh, mehr Informationen zu erhalten, als das in einer
gezwungenen Atmosphäre der Fall gewesen wäre. Wegmann würde darauf nicht
reinfallen. Er war gewarnt.
Er bot Bruncke einen
Stuhl ihm gegenüber und einen Kaffee an, doch dieser bat lediglich um ein Glas
Wasser. Wegmann schenkte ihm eins ein und setzte sich dann hinter seinen
Schreibtisch.
„Womit kann ich Ihnen
behilflich sein, Herr Bruncke?” fragte er schließlich. Bruncke nahm einen
Schluck von seinem Wasser.
„Nun, ich wollte mich
mal persönlich nach dem Stand der Ermittlungen zum Tod von Professor Meng Hong
erkundigen”, antwortete dieser. „Und ehrlich gesagt bin ich ein
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