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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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Schuldenerlass und Umweltschutz zur Sprache, doch die Bedrohung
durch Epidemien sollte den Schwerpunkt darstellen, und hier war er die
unangefochtene Kapazität.
    Schwierig würde sich
wie immer die Frage der globalen Erwärmung gestalten, denn der ehemalige
Kanzler hatte Deutschland in eine denkbar schlechte Position manövriert, indem
er den Atomausstieg durchgesetzt hatte. In Zeiten globaler Erwärmung war es
gegenüber Bündnisstaaten schwer zu verargumentieren, dass man in Zukunft auf
die produktivste der Kohlenstoffdioxid-neutralen Energien zu verzichten
gedachte.
    Die Argumente des
Ex-Kanzlers hatten hinten und vorne gehinkt. Immer wieder hatte er auf
Sicherheitsbedenken und die Gefahr eines GAUs, eines ‚größten anzunehmenden
Unfalls’ verwiesen. Was aber half es, die sichersten Kernkraftwerke Europas zu
schließen, wenn die weit weniger sicheren in Polen, Frankreich und Schweden
weiter am Netz blieben?
    Die Motive des
Ex-Kanzlers waren schließlich kurz nach seiner Wahlniederlage offenkundig
geworden, als er den Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden bei einem
deutsch-russischen Gas-Pipeline Betreiber übernommen und somit der ganzen Welt
schnell sein ganz persönliches Interesse am Atomausstieg gezeigt hatte. Der
Kontakt zwischen der Gas-Gesellschaft und dem ehemaligen Politiker war
auffällig schnell nach seiner Abwahl zustande gekommen – in Heinzes Augen
weitaus zu schnell.
    Wegen der materiellen
Interessen dieses Herrn also musste er jetzt der Kanzlerin sagen, wie sie den
Atomausstieg vertreten konnte, anstatt sie hinsichtlich der Gefahren weltweiter
Epidemien zu beraten.
    Wut keimte in Heinze
auf und zog an seinem Tempo. Dies war ein Virologie-Gipfel, verdammt nochmal –
sein Virologie-Gipfel. Was hatte er nicht alles in dieses Projekt investiert?
    Sein
Virologie-Studium hatte er an der University of Toronto in Kanada absolviert
und seine seither exzellenten Englischkenntnisse waren ihm später in seiner
Laufbahn stets zuträglich gewesen. Erst während seiner Promotion an der
Humboldt-Universität in Berlin hatte er begonnen, sich für Politik zu
interessieren. Ein befreundeter Mit-Doktorand hatte ihn zu politischen Veranstaltungen
geschleppt und Heinze hatte das System schnell verstanden, das System aus
Propaganda und Lügen, aus Taktik und Macht. Und es hatte ihn fasziniert.
    Sofort nach seiner
Promotion hatte er ein Studium der Politikwissenschaften nachgeschoben. Bereits
während dieses Studiengangs hatte er begonnen, sich politisch zu engagieren,
und war wegen seiner zwingenden Intelligenz und seiner exzellenten Rhetorik
schnell in der Gunst seiner Parteifreunde aufgestiegen.
    Mit dreißig Jahren standen
zwei abgeschlossene Studiengänge in seinem Lebenslauf und er hatte sich neben
einem Doktortitel ein hervorragendes Ansehen innerhalb seiner Partei erworben. Mit
all dem hatte er sich seine Laufbahn aussuchen können und sich für eine
Karriere hinter den Kulissen entschieden. Politiker waren mehr oder weniger
reine Repräsentanten, die Marionetten ihrer Berater. Er aber hatte
Marionettenspieler sein wollen, die Fäden in der Hand.
    Er hatte gute Arbeit
abgeliefert, jedoch zunächst ohne Außergewöhnliches zu leisten. Doch dann hatte
er von einem Professor Meng Hong gehört, der dafür kämpfte, dass die Bedrohung
durch Epidemien bei einem G8-Gipfel thematisiert würde. Er hatte seine Chance
gesehen und sein durch sein Studium gegebenes Fachwissen auf diesem Gebiet dazu
genutzt, die Kanzlerin geschickt zu manipulieren. Schließlich war es ihm nicht
nur gelungen, Epidemien zu einem Gipfelschwerpunkt zu machen, sondern das Ganze
auch noch bei dem G8-Gipfel in Deutschland stattfinden zu lassen.
    Dies war sein Gipfel,
sein ganz großer Auftritt. Meng Hongs Tod war tragisch, aber gewiss nicht von
Nachteil. Auf diese Weise würde der Gipfel noch mehr Beachtung in der
Öffentlichkeit finden und er würde es verstehen, das zu seinen Gunsten zu
nutzen.
    Diese Gedanken
beschäftigten ihn, als er an diesem Morgen den Strand vor Petersdamm entlang
lief. Die immer noch tief stehende Sonne hatte vereinzelte kleine Lücken in den
Wolken gefunden und ein paar wenige, separate Strahlen tauchten den Strand und
die Wolken darüber in ein unwirkliches, gelbliches Licht und brachen sich auf
den seichten Wogen der ruhigen Ostsee.
    Plötzlich blieb
Heinze unvermittelt stehen und blinzelte. Er sah etwas, was keine hundert Meter
weiter von der sanften Strömung angespült wurde. Sein Herz setzte einen Schlag
aus und

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