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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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Polizei
hassten, alle Radikalen taten das, aber dass er als Amtsperson einfach
ignoriert werden würde, hatte er nicht erwartet. Und es vertrug sich absolut
nicht mit seinem Selbstverständnis.
    „Hey, ich rede mit
Ihnen”, rief er dem Mann nach. Diesmal erntete er eine Reaktion.
    „Ich aber nicht mit
dir, scheiß Bulle”, antwortete der Autonome, ohne sich auch nur umzudrehen.
Wegmann ging ihm nach, fasste ihn grob an der Schulter und drehte ihn herum.
    „Wenn ich mit dir zu
reden habe, dann redest du gefälligst auch mit mir, ist das klar?” fuhr er den
Mann an.
    „Pack mich nicht an,
du Bullenschwein”, schrie der Irokese mit beeindruckender Lautstärke. Er
verfehlte seine Wirkung nicht. Binnen kürzester Zeit wurden an fast allen
Zelten die Reißverschlüsse aufgezogen und Globalisierungsgegner strömten
hinaus. Keine halbe Minute, nachdem Wegmann den Irokesen an der Schulter
gepackt hatte, fanden er und Lars sich in einer riesigen Traube von Autonomen
wieder.
    Sie standen am Anfang
des etwas breiteren Hauptwegs, der die Zeltstadt parallel zum Zaun verlaufend
durchzog. Vor ihnen standen die Zelte von tausenden Demonstranten, hinter ihnen
lag noch ein kleines Stückchen freies Feld, dann die Straße und dann die Wiese,
auf der die Fernsehteams ihre Übertragungswagen geparkt hatten. Das kurze Stück
freien Felds zwischen Straße und Zeltstadt war von der Polizei als
Sicherheitszone zwischen den Globalisierungsgegnern und den Medienvertretern
eingerichtet worden.
    Das freie Feld im
Rücken konnte hilfreich sein, doch an Flucht verschwendete Wegmann nicht den
geringsten Gedanken. Zudem waren sie komplett von Demonstranten umzingelt, und
er hätte sich wahrscheinlich seinen Weg freischießen müssen. Das Gewicht seiner
Dienstwaffe im Schulterhalfter wirkte beruhigend.
    Von allen Seiten
wurden den beiden Polizisten Vorschläge unterbreitet, wie sie ihre Zeit
totschlagen könnten. Die Bandbreite der Empfehlungen reichte von ‚Verpisst euch’
bis hin zu ‚Fickt euch ins Knie’ und beinhaltete nahezu jede erdenkliche
Variante dazwischen. Wegmann spürte, wie die Schlagader in seinem Hals
pulsierte. Dieses Pack würde so nicht mit ihm sprechen. Nicht mit ihm. Und wenn
er jeden Einzelnen von ihnen persönlich verhaften würde. Er stand kurz vorm
Explodieren.
    „Es gibt keinen Grund
sich aufzuregen”, kam ihm Lars mit beruhigendem, sonorem Tonfall zuvor. „Wir
werden niemanden anpacken und wir ermitteln gegen keinen von Ihnen.” Die Meute
der Globalisierungsgegner wurde etwas leiser, Lars Worte zeigten eine gewisse
Wirkung. Wegmann wusste, dass es wahrscheinlich klüger war und eher zu einem
Ergebnis führen würde, wenn man vernünftig mit ihnen zu sprechen versuchte,
doch er selbst hätte das nicht gekonnt. Völlig unmöglich. Eine Art innere Hemmschwelle,
die zu überwinden er nicht in der Lage war, verhinderte es.
    „Wir ermitteln in dem
Todesfall Meng Hong. Ich gehe davon aus, dass die meisten von Ihnen davon
bereits in der Zeitung gelesen haben”, fuhr Lars fort. Zumindest die zunächst
umherstehenden Globalisierungsgegner hörten ihm nun ohne weitere Zwischenrufe
zu. „Professor Meng Hong ist gestern im Kongresszentrum von einem Blitz
erschlagen worden. Ich schätze, die meisten von Ihnen werden der Demonstration
am Zaun beigewohnt haben. Ist Ihnen irgendetwas aufgefallen, was uns weiter
helfen könnte? Konnten Sie beobachten, wie der Blitz in das Gebäude einschlug?
Haben Sie verdächtige Personen gesehen? Irgendetwas?”
    „Mir ist etwas
aufgefallen”, antwortete eine Stimme irgendwo aus der Mitte der Traube von
Autonomen. Wegmann konnte es kaum fassen. Lars’ Appell an die Vernunft schien
zu funktionieren. Er hatte es geschafft, diesen Zecken Kooperationsbereitschaft
abzuringen. Unglaublich.
    Ein schlanker,
drahtiger, nicht allzu großer Mann Anfang zwanzig mit blonden Haaren trat
zwischen den Umherstehenden hervor. Ein blaues Auge, eine leicht geschwollene,
lila-grüne linke Wange und eine ansehnliche Schramme auf der Stirn zierten sein
Gesicht, zudem schien ihn das Atmen zu schmerzen. Wahrscheinlich geprellte
Rippen.
    Ein richtiger
Gesichtseintopf. Diese Zecken sollten alle so aussehen, dachte
Wegmann.
    „Was genau haben Sie
denn beobachtet?” fragte Lars sachlich.
    „Was ich beobachtet
habe?”
    „Passe, nicht!” rief
plötzlich eine Frauenstimme aus der Menschentraube. Wegmann blickte sich um.
Was nicht? Warum nicht?
    „Ich habe beobachtet”,
fuhr der Gesichtseintopf unbeirrt fort,

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