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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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stets wirkten die
Gesichter der Antwortenden aufrichtig und ehrlich bemüht, doch ebenso
regelmäßig waren die Antworten wenig befriedigend.
    „Konnten Sie den
Blitz beobachten?” fragte Lars schließlich.
    „Was für einen Blitz?”
fragte einer der Autonomen zurück.
    „Den Blitz, der in
das Kongresszentrum eingeschlagen hat”, erwiderte Lars.
    „In das
Kongresszentrum hat kein Blitz eingeschlagen”, sagte der Demonstrant bestimmt.
Seine Sinnesgenossen bestätigten das ausnahmslos. Sie waren sich absolut
sicher, es habe keinen Blitz gegeben. Sie alle seien zwar bereit, Vieles in
Kauf zu nehmen, um für ihre Ideale zu kämpfen, aber sie seien nicht lebensmüde.
Wenn ein Blitz so nahe niedergegangen wäre, dann hätten sie sich schleunigst in
Sicherheit gebracht.
    Wegmann konnte es
nicht glauben. Etwa zwanzig Zeugen bestätigten hier unisono, es habe keinen Blitz
gegeben. Doch unumstößlich stand das Foto aus der Zeitung dagegen, das den
Professor im Blitz zeigte.
    „Ich verstehe das
nicht”, murmelte er vor sich hin und dann passierte plötzlich alles furchtbar
schnell.
    –––––
    Passe konnte das
weichgekochte Gelaber nicht mehr ertragen. Wir sind friedliche
Demonstranten! Was für ein Milchbrötchen. Wie konnte man nur mit Bullen
kooperieren?
    „Natürlich verstehst
du das nicht!” brüllte er den bärtigen Bullen an. „Weil dein IQ weit unterhalb
der Außentemperatur liegt!”
    –––––
    Mark Wolf drückte mit
grimmiger Miene auf den roten Hörer seines Mobiltelefons, um das Telefonat zu
beenden. Er war nicht im Geringsten zufrieden mit dem Ausgang des Gesprächs,
doch darüber nachzudenken hatte er nun keine Zeit. Er hatte zu tun. Diese
beiden Bullen waren immer noch da, die Gelegenheit war günstig.
    Er stahl sich von der
Gruppe weg in den kleinen Hain, an dessen Rand die Bullen ihr Auto geparkt
hatten, und kauerte sich hinter demselben nieder. Dann zog er seinen Rucksack
aus, holte eine Plastikflasche gefüllt mit einer klaren Flüssigkeit hervor,
goss ein wenig daraus über ein Taschentuch und stopfte das Taschentuch in den
Flaschenhals.
    Einen normalen
Molotow-Cocktail konnte er nicht werfen, denn der hätte ihm nicht genug Zeit
eingeräumt, sich unerkannt zu entfernen. Diese Improvisation hingegen würde ihm
die benötigte Zeit geben. Die Plastikflasche würde nicht zerbersten und das
Benzin augenblicklich freisetzen, sondern langsam durch das brennende
Taschentuch geschmolzen werden. Erst dann würde das Benzin im Inneren der
Flasche genug Sauerstoff bekommen, um ebenfalls zu brennen. Danach würde es noch
einmal einige Sekunden dauern, bis sich Ölspuren unter dem Auto entzündeten.
Bis das Auto komplett in Flammen stand, würde er längst wieder in der Menschentraube
stehen und die Bullen beschimpfen wie seine treuen Mitstreiter.
    Mark Wolf zog ein
Feuerzeug aus seiner Hosentasche, zündete das benzingetränkte Taschentuch im
Flaschenhals an und rollte die Flasche behutsam unter den Motorraum des
Polizeifahrzeugs. Dann stahl er sich zurück zu der Gruppe, die sich nach der
vernunftgeschwängerten Kooperationsbereitschaft von eben nun wieder in heller
Aufregung befand.
    –––––
    Wegmann hatte sich
nicht mehr unter Kontrolle. Dieser kleine Wichser war zu weit gegangen. Nahezu im
gleichen Moment, in dem der Gesichtseintopf ihn beleidigt hatte, hatte er seine
Dienstwaffe aus dem Holster gerissen und sie dem Aufrührer an die Schläfe
gehalten. Mit größter Genugtuung hatte er die Mischung aus Überraschung und
Angst in den Augen des Jungen beobachtet.
    „Immer noch so ‘ne
große Klappe?” hatte er ihn gefragt.
    Nun ging wieder eine
Welle wüster Beschimpfungen durch die Reihen der Globalisierungsgegner. Aus dem
Augenwinkel nahm Wegmann wahr, wie Lars versuchte zu besänftigen, zu
beschwichtigen. Fast hatte Wegmann das Gefühl, Lars wolle eher ihn als die
Meute aus Asozialen beruhigen, doch sicher konnte er es nicht sagen. Adrenalin
kochte in seinen Adern und vernebelte seine Wahrnehmung. Zur Not würde er sie
alle verhaften. Alle.
    Er drückte den Jungen
mit der Mündung seiner Waffe zu Boden, auf den Bauch, drückte mit dem Lauf in
seinen Nacken und sein Gesicht in den Dreck. Die Beschimpfungen nahmen an
Intensität zu, doch Wegmann nahm sie nicht wahr.
    „Friss Dreck!” raunte
er dem Gesichtseintopf ins Ohr.
    Doch plötzlich
registrierte er eine Veränderung in der Stimmung der Globalisierungsgegner.
Eine signifikante Veränderung. Großer Jubel ersetzte von einer

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