Virus (German Edition)
„wie ihr Bullenschweine auf am Boden
liegende, wehrlose Menschen eingeprügelt habt. Ich habe beobachtet, was
Staatsgewalt bedeutet und ich habe beobachtet, wie Menschenrechte mit Füßen
getreten wurden.”
Er spuckte vor
Wegmann und Lars auf den Boden.
Ein zustimmender
Jubel ging durch die Menschentraube, während der Gesichtseintopf von einer
jungen Frau mit kurzen dunklen Haaren weggezogen wurde. Wegmann konnte sich
nicht mehr beherrschen. Er wusste, dass seine Reaktion nicht allzu klug war,
aber er hatte keine Kontrolle mehr über sein Sagen und Tun.
„Noch zu wenig!”
brüllte er. „Ich wünschte, der Kollege hätte fester zugeschlagen!”
Wüste Beschimpfungen
von Seiten der Autonomen waren die Folge, doch das war Wegmann egal. Er würde
sich dieses Würstchen krallen. Angst verspürte er keine, doch um sich ein wenig
sicherer zu fühlen, ließ er die rechte Hand unter sein Jackett gleiten und
öffnete schon einmal unauffällig den Verschluss seines Schulterhalfters.
Lars hob
beschwichtigend die Hände. „Bitte, bitte”, rief er. „Wir verurteilen die
übertriebene Gewalt der Kollegen zutiefst und distanzieren uns von ihnen.” Erneut
gelang es ihm, die aufgebrachte Meute ein wenig zu beruhigen und die
Beschimpfungen ebbten wieder ab. Wegmann war sich nicht sicher, ob er es auch
dieses Mal gut fand. Die offene Auseinandersetzung mit diesem Pack hatte ihm
wieder dieses Gefühl von Macht gegeben, das er so liebte. Doch Lars fuhr in
seiner Deeskalationsrede fort.
„Es sind junge,
unerfahrene Kollegen, die in Kampfeinheiten zum Einsatz kommen, aber das soll
keine Entschuldigung sein. Wir möchten, dass Sie wissen, dass wir persönlich
das Verhalten der Kollegen als abstoßend empfinden.”
Er machte eine kurze
Pause, bis sich die Meute komplett beruhigt hatte. „Aber hier geht es um den
Tod eines Mitmenschen”, sprach er schließlich weiter. „Sogar Mord können wir
nicht gänzlich ausschließen. Das Opfer widersprach in keiner Weise Ihren
Idealen, es handelt sich um einen Epidemiologen. Einen politisch nicht weiter
engagierten Epidemiologen.”
Eine Weile herrschte
Stille. Wegmann blickte sich mit Feuer in den Augen um und hoffte, jemand würde
erneut ausfallend werden. Diesmal würde er ihm sofort und ohne Vorwarnung seine
Dienstwaffe an die Schläfe setzen und ihm Handschellen anlegen. Doch die
vereinzelten Beschimpfungen und Zwischenrufe, die noch zu hören waren, wurden
stets schnell vom Großteil der Meute verurteilt und zum Verstummen gebracht.
Was waren das für
komische Globalisierungsgegner? Wegmann verstand nicht. Warum wollten Sie
keinen Krawall?
Schließlich ergriff
ein Mann um die dreißig mit intelligent wirkenden, feinen Gesichtszügen das
Wort. „Wir sind friedliche Demonstranten und verurteilen Gewalt”, sagte er. „Die
Randalierer von gestern repräsentieren ebenso wenig die Mehrheit von uns wie
die unqualifizierten Zwischenrufer von heute.” Damit warf er einen Blick auf
die Stelle, an der der Gesichtseintopf in der Meute verschwunden war. „Wir
haben keinerlei Bedürfnis, uns auf das Niveau der deutschen Ordnungsmächte hinab
zu begeben”, fuhr er fort. „Wir suchen nicht die Konfrontation, sondern den
Dialog und sind gerne bereit, Ihnen das zu zeigen, indem wir alle ihre Fragen
beantworten werden.”
Ein zustimmendes
Raunen ging durch die Menge, immer noch vereinzelt gestört durch wüste
Beschimpfungen. Auch gut. Nüchtern und sachlich betrachtet sogar besser so.
Wegmann würde nicht die Gelegenheit kriegen, ein paar Zecken zu verhaften,
dafür aber unter Umständen Informationen erhalten, die bei der Aufklärung des
Falls von Nutzen sein konnten.
Lars begann mit der
Befragung der Gruppe und Wegmann hatte nicht die Absicht, aktiv daran
teilzunehmen. Er war sich relativ sicher, dass die Globalisierungsgegner auf
ihn nach seinem Ausraster nicht ganz so gut zu sprechen waren wie auf den
besonnenen Lars.
Lars arbeitete einen
ganzen Katalog von Routinefragen ab – wenn auch zunächst mit äußerst geringem
Erfolg.
Haben Sie verdächtige
Personen in der Nähe des Gebäudes gesehen? Nein. Ist Ihnen irgendetwas
Ungewöhnliches aufgefallen? Nein. Haben Sie in Ihrem Freundes- oder
Bekanntenkreis von Mordverschwörungen gehört? Nein. Hat für
Globalisierungsgegner der Code ‚A87’ irgendeine Bedeutung? Nein. Kannten Sie
Professor Meng Hong oder haben Sie von seinen Forschungen gehört? Nein.
Es war frustrierend.
Stets richtete er die Fragen an die komplette Gruppe,
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