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Virus (German Edition)

Virus (German Edition)

Titel: Virus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristian Isringhaus
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Molotows immunen Fahrzeug bekam
die Polizei die Lage langsam in den Griff. Rücksichtslos richteten die Beamten
den schrecklichen Strahl auf die Demonstranten. Nichts hielt dem Wasserdruck
von zwanzig Bar stand. Die Autonomen gingen zu Boden wie vom Schlag getroffen,
Zelte wurden einfach wegradiert.
    Die Luft war
schwanger von Schreien, Schmerzen und Schrecken. Dazu kam das erbarmungslose
Dröhnen der Wasserdruckspritze. Es roch nach Dreck, nasser Erde und verbranntem
Plastik. Wegen der Intensität der Ausschreitungen und der Vielzahl der geworfenen
Molotow-Cocktails hatte die Feuerwehr noch immer Wegmanns brennendes
Dienstfahrzeug nicht löschen können.
    Mit dem Wasserwerfer
als Rückendeckung schritten die Ordnungshüter wieder vor, versuchten, die
Demonstranten einzukesseln, prügelten auf sie ein, nahmen sie brutal fest,
trieben sie in die Flucht. Die Wiese war durch das viele Wasser schlammig und
seifig geworden, so dass sowohl Polizisten als auch Demonstranten immer wieder
ausrutschten. Zudem entpuppten sich die Spannseile der Zelte als fiese Stolperfallen
– sowohl für die Flüchtenden als auch für die Verfolger.
    Wer immer zu Boden
ging, wurde anschließend mit Tritten und Schlägen übel traktiert. Zwar gewannen
die Polizisten in ihrer Kampfmontur und vom Wasserwerfer unterstützt langsam die
Oberhand, doch einige Ordnungshüter, die ausgerutscht oder gestolpert waren,
mussten für sämtliche Kollegen kollektiv büßen. Autonome entrissen ihnen ihre
Knüppel, rissen ihnen die Helme vom Kopf und projizierten ihren ungebremsten
Zorn gegen das Kollektiv auf diese Individuen.
    –––––
    Passes Rippen
schmerzten, als er rannte. Unmittelbar nachdem jemand dem Bullen die Waffe aus
der Hand geschlagen hatte, hatte Dora ihn hochgezogen und weggezerrt. Schnell
waren sie in der Menschenmenge verschwunden. Kurz darauf, viel zu kurz darauf,
war die Kampfeinheit der Polizei eingetroffen. Sofort hatte Dora ihn
weitergezogen und er wusste, dass sie Recht hatte. Mit den Verletzungen vom
Vortag wäre er leichte Beute für die Beamten gewesen. Besser heute fliehen, um
morgen noch kämpfen zu können.

31.
    Als Debbie Holger
schließlich fand, hatte dieser das Hotel bereits verlassen und befand sich auf
dem Weg zurück zu seiner Wohnung. Sie wollte nach ihm rufen, als sie ihn sah,
wusste aber nicht, was sie sagen sollte. Die Situation war peinlich. Sie hätte
seine Entschuldigung einfach annehmen sollen, denn dann wäre er in der
schwächeren Position gewesen. Jetzt aber wollte sie wieder etwas von ihm und
sie traute ihm zu, dass er diesen Fakt zu zynischen Bemerkungen missbrauchen
würde. Andererseits war er so gleichgültig, dass er sich vielleicht nicht einmal
dazu die Mühe machen würde.
    All diese Gedanken
schossen ihr durch den Kopf, als sie Holger auf dem schmalen asphaltierten Weg
durch die Dünen, der die Seemöwe mit der kleinen ehemaligen Fischersiedlung, in
der er wohnte, verband, hinterherlief. Noch ehe sie sich entschieden hatte, was
sie sagen sollte, hatte sie ihn schon eingeholt. Da sie etwas außer Atem war
und noch immer nicht wusste, was sie sagen sollte, ging sie erst mal neben ihm
her. Vielleicht würde er ja zuerst etwas sagen, wenn er sie bemerkte, und ihr
so die Sache erleichtern.
    „Welch relativ
unerwartete Überraschung”, leierte er schließlich, ohne sie anzublicken oder
sonstige weitere Hinweise darauf zu geben, dass er sie bemerkt hatte.
    Dieses Mal konnte
Debbie ihm seine distanzierte Arroganz nicht einmal übelnehmen. Immerhin hatte
sie ihn mit recht unmissverständlichen Worten aus ihrem Hotel gejagt. Sich
dafür zu entschuldigen brachte sie allerdings nicht fertig.
    „Du wolltest dich
entschuldigen?” sagte sie stattdessen.
    Er blickte sie an,
ohne seinen Schritt zu verlangsamen.
    „Oh, ja”, sagte er
und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Ich vergaß. ‘tschuldigung.”
    Dass er seine
Entschuldigung ehrlich meinte, davon war auszugehen, denn warum hätte er sie im
Hotel aufsuchen sollen, wenn es ihm nicht ernst wäre. Wahrscheinlich also war
dies alles, was sie erwarten durfte, und nach ihren Verwünschungen von vorhin
wohl auch alles, was sie noch verdiente.
    „Okay”, sagte sie.
„Ich nehme deine Entschuldigung an.
    „Gut”, erwiderte
Holger und ging unbeirrt weiter.
    Eine ganze Weile
gingen sie nebeneinander, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Holger schien
nicht das Gefühl zu haben, für die Konversation verantwortlich zu sein und
Debbie wusste

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