Virus
auf ein Eckschränkchen.
»Und wie ist der Zustand der Patienten?«
»Erschreckend. Ich weiß, das klingt nicht sonderlich dienstlich, aber ich habe nie kränkere Leute gesehen. Wir haben Sonderbehandlung rund um die Uhr betrieben, aber ganz gleich was wir auch unternehmen, es geht ihnen laufend schlechter.«
Marissa konnte die Niedergeschlagenheit der Schwestern gut verstehen. Patienten im Endstadium waren immer eine niederdrückende Belastung für das Personal.
»Weiß eine von ihnen, welcher Patient als erster eingeliefert wurde?«
Die ältere Schwester trat an Marissas Seite, die Platz genommen hatte, wühlte in den Krankenunterlagen und hob schließlich eines der Mäppchen hoch. Sie gab es Marissa und sagte dazu: »Der erste war Dr. Alexi. Es sollte mich wundern, wenn er den heutigen Tag überlebt.«
Marissa studierte die Unterlagen. Es fanden sich alle ihr schon geläufigen Symptome, jedoch keinerlei Vermerke über Auslandsreisen, Experimente mit Tieren oder irgendeine Verbindung zu den drei vorhergehenden Ausbrüchen. Aber sie erfuhr, daß Dr. Alexi der Leiter der ophtalmologischen Abteilung war. Marissa war verblüfft – sollte Dubchek schließlich doch recht haben? Ungewiß darüber, wie lange sie es wagen konnte, sich auf der Station aufzuhalten, beschloß Marissa, sich den Patienten sofort anzuschauen. Sie legte zusätzliche Schutzkleidung an, einschließlich einer verfügbaren Schutzbrille, und betrat sein Krankenzimmer.
»Ist Dr. Alexi bei Bewußtsein?« fragte sie die betreuende Schwester, die sich mit dem Namen Marie vorgestellt hatte. Der Mann lag schweigend auf dem Rücken, mit offenem Mund, und starrte zur Decke. Seine Haut zeigte schon den schmutziggelben Anflug, von dem Marissa inzwischen wußte, daß er ein Anzeichen des nahenden Todes war.
»Mal ist er bei Bewußtsein und mal nicht«, antwortete die Schwester. »In der einen Minute spricht er, in der nächsten ist er völlig teilnahmslos. Sein Blutdruck ist weiter gesunken. Man hat mich angewiesen, nichts weiter zu unternehmen.«
Marissa schluckte nervös. Die Weisung, weitere Maßnahmen an Patienten zu unterlassen, hatte ihr immer Schwierigkeiten bereitet.
»Dr. Alexi«, rief Marissa und berührte sanft den Arm des Mannes. Langsam drehte er den Kopf, um sie anzuschauen. Sie bemerkte einen großen blauen Fleck unter seinem rechten Auge.
»Können Sie mich hören, Dr. Alexi?«
Der Mann nickte.
»Waren Sie in letzter Zeit in Afrika?«
Dr. Alexi schüttelte verneinend den Kopf.
»Besuchten Sie vor ein paar Monaten eine Ärztetagung über Operationen am Augenlid in San Diego?«
Der Mann brachte mit Mühe ein »Ja« heraus.
Vielleicht hatte Dubchek wirklich recht. Das konnte nun wirklich kein Zufall mehr sein – jeweils das erste Opfer eines solchen Ausbruchs der Krankheit war ein Augenarzt, der an jenem Treffen in San Diego teilgenommen hatte.
»Dr. Alexi«, fragte Marissa weiter und wog ihre Worte sorgfältig ab, »haben Sie Freunde oder Bekannte in Los Angeles, St. Louis oder Phoenix, und haben Sie sie in letzter Zeit getroffen?«
Aber noch bevor Marissa ihren Satz beendet hatte, war er wieder ohne Bewußtsein.
»Das ging nun schon ein paarmal so mit ihm«, sagte die Krankenschwester und trat auf die andere Seite des Bettes, um erneut den Blutdruck zu messen.
Marissa zögerte. Vielleicht sollte sie ein paar Minuten warten und es dann nochmals versuchen. Ihre Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Bluterguß unter dem Auge des Mannes zu, und sie fragte die Schwester, ob sie wisse, wie sich der Patient das zugezogen hatte.
»Seine Frau sagte mir, daß er überfallen und beraubt wurde«, antwortete Marie und fügte dann hinzu: »SeinBlutdruck ist schon wieder gefallen.« Sie schüttelte niedergeschlagen den Kopf, als sie das Stethoskop hinlegte.
»Er wurde überfallen, unmittelbar bevor er erkrankte?« vergewisserte sich Marissa; sie wollte sicher sein, daß sie richtig gehört hatte.
»Ja, genau. Ich glaube, daß der Räuber ihm ins Gesicht schlug, obwohl er keinerlei Widerstand leistete.«
Da erklang plötzlich aus der Gegensprechanlage eine Frage: »Marie, ist bei Ihnen im Zimmer jemand vom Seuchenkontrollzentrum?«
Die Schwester blickte zur Anlage hinüber, dann wieder auf Marissa und wieder zurück. »Ja, hier ist eine Ärztin.«
Durch das Knistern, das anzeigte, daß die Anlage eingeschaltet war, konnte Marissa eine weibliche Stimme sagen hören: »Sie ist im Zimmer von Dr. Alexi.« Eine andere Stimme entgegnete:
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