Virus
trat, nachdem sie die Treppe hinaufgegangen war, vor ihm ein. Sie schielte nach dem Regal an der Tür – ja, seine Einlaßkarte für das Hochsicherheitslabor lag dort.
»Ich hab’ den ganzen Tag über versucht, dich zu erreichen«, sagte Tad. »Wo hast du denn gesteckt?«
»Ich war weg«, sagte Marissa höchst unbestimmt. »Es war wieder ein sehr interessanter Tag.«
»Ich habe gehört, daß man dich von den speziellen pathogenen Keimen abgezogen hat«, sagte Tad. »Und dann ging das Gerücht um, du wärst in Urlaub. Was ist denn los?«
»Wenn ich das bloß wüßte«, entgegnete Marissa und ließ sich auf Tads hochlehniges Sofa fallen. Irgendwoher tauchte seine Katze auf und kuschelte sich in ihren Schoß. »Was ist mit Philadelphia? Ist es Ebola?«
»Ja, leider«, mußte Tad, der sich neben sie gesetzt hatte, bestätigen. »Der Anruf kam am Sonntag. Heute früh bekam ich Proben – alle voll vom Ebola-Virus.«
»Ist es wieder derselbe Stamm?«
»Im Augenblick kann ich das noch nicht mit Bestimmtheit sagen«, antwortete Tad.
»Du glaubst noch immer, daß das alles von dem Augenärztetreffen in San Diego herrührt?« fragte sie ihn.
»Ich weiß das nicht«, gab Tad mit einer kleinen Schärfe in der Stimme zurück. »Ich bin Virologe und nicht Epidemiologe.«
»Jetzt sei bitte nicht sauer«, sagte Marissa. »Aber dafür muß man nicht Epidemiologe sein, um festzustellen, daß da Merkwürdiges vorgeht. Hast du eine Idee, warum ich versetzt worden bin?«
»Ich nehme an, daß Dubchek es verlangt hat.«
»Von wegen«, gab Marissa zurück. »Es war ein Abgeordneter des amerikanischen Repräsentantenhauses aus Texas namens Markham! Er rief direkt Dr. Morrison an. Er sitzt im Bewilligungsausschuß, der über den Etat des CDC zu befinden hat, und so konnte Morrison gar nichts machen. Aber das ist doch reichlich komisch, oder? Ich bin schließlich nur eine kleine EIS-Beamtin.«
»Merkwürdig ist’s schon«, gab Tad zu. Er wurde zusehends nervöser.
Marissa legte ihm die Hand auf die Schulter. »Was ist denn los?«
»Die ganze Geschichte beunruhigt mich«, sagte Tad. »Ich mag dich, und du weißt das. Aber du scheinst Schwierigkeiten und Ärger förmlich anzuziehen, und ich möchte da nicht hineingezogen werden. Ich hänge schließlich an meiner Arbeit!«
»Ich will dich ja wirklich nicht hineinziehen. Aber ein einziges Mal noch brauche ich deine Hilfe. Deshalb komme ich auch so spät.«
Tad schob ihre Hand weg. »Bitte verlang jetzt bloß nicht schon wieder Verletzung von Vorschriften von mir!«
»Ich muß einfach noch mal ins Hochsicherheitslabor«, sagte Marissa. »Nur für ein paar Minuten.«
»Nein«, antwortete Tad entschieden. »Ich kann dieses Risiko einfach nicht auf mich nehmen. Es tut mir leid.«
»Aber Dubchek ist doch gar nicht da«, drängte Marissa. »Um diese Stunde ist überhaupt niemand da.«
»Nein«, lehnte Tad ab. »Das kann ich nicht machen.«
Marissa spürte, daß er diesmal unnachgiebig war. »Na gut«, sagte sie, »lassen wir’s also. Ich kann dich ja verstehen.«
»Wirklich?« antwortete Tad, überrascht, daß sie so rasch aufgab.
»Ja, ernsthaft. Aber wenn du mich schon nicht ins Hochsicherheitslabor lassen kannst, könntest du mir wenigstens was zu trinken anbieten.«
»Aber natürlich«, sagte Tad, eifrig bemüht. »Bier oder Weißwein, oder auf was sonst hättest du Lust?«
»Ein Bier wäre gut«, entschied sich Marissa.
Tad verschwand in der Küche. Als sie hörte, wie er die Kühlschranktür öffnete, stand Marissa schnell auf und schlich auf Zehenspitzen zu dem Regal an der Tür. Dort lagen zwei Einlaßkarten von Tad. Vielleicht würde er ja nicht einmal merken, daß sie sich eine davon ausborgte, redete sie sich ein, als sie eine der beiden rasch in ihreJackentasche schob. Als Tad mit dem Bier zurückkam, saß sie wieder brav auf dem Sofa.
Tad reichte Marissa eine Flasche »Rolling Rock« und nahm die andere für sich selbst. Er hatte auch eine Tüte mit Kartoffelchips mitgebracht, die er aufriß und auf den Tisch legte. Um ihn in gute Stimmung zu bringen, fragte Marissa ihn nach seinen letzten Untersuchungen, aber es war offenkundig, daß sie seinen Antworten nicht allzuviel Aufmerksamkeit schenkte.
»Magst du ›Rolling-Rock-Bier‹ nicht?« fragte Tad, als er bemerkte, daß sie kaum einen Schluck genommen hatte.
»Doch, es ist gut«, antwortete Marissa gähnend. »Aber ich fürchte, daß ich eher müde als durstig bin. Ich meine, ich sollte gehen.«
»Oh, du
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