Virus
kannst gerne hier übernachten!« sagte Tad.
Doch Marissa sprang auf. »Vielen Dank, aber ich sollte wirklich besser heimfahren.«
»Es tut mir wirklich leid wegen des Labors«, meinte Tad und beugte sich hinunter, um sie zu küssen.
»Ich versteh es schon«, antwortete Marissa und wandte sich rasch zur Tür, ehe er noch die Arme um sie legen konnte.
Tad wartete, bis er die Haustür ins Schloß fallen hörte, bevor er in seine Wohnung zurückging. Auf der einen Seite war er stolz darauf, daß er es geschafft hatte, ihr zu widerstehen. Auf der anderen Seite aber fühlte er sich unwohl, weil er ihre Hoffnung hatte enttäuschen müssen.
Zufällig fiel sein Blick auf das Regal, wo er immer seine Einlaßkarten und die Schlüssel hinlegte. Immer noch in Gedanken an Marissa, fiel ihm auf, daß eine der beiden Karten fehlte. Sorgfältig schaute er all den Kram durch, den er aus seinen verschiedenen Taschen geholt hatte, und suchte dann alle Regalböden ab. Seine Reservekarte war verschwunden.
»Verdammt!« fluchte Tad. Er hätte mit einem Trick rechnen müssen, als sie so rasch aufgab. Er riß die Tür auf,rannte die Treppen hinunter und auf die Straße hinaus, in der Hoffnung, sie noch zu erwischen, aber die Straße war leer. In der feuchten Nacht war nicht einmal der geringste Luftzug zu spüren, und die Blätter an den Bäumen hingen schlapp und unbewegt herunter.
Tad kehrte in seine Wohnung zurück und versuchte, eine Entscheidung zu treffen. Er warf einen Blick auf die Uhr und ging dann zum Telefon. Sicher, er mochte Marissa, aber jetzt war sie doch zu weit gegangen. Er nahm den Hörer auf und wählte eine Nummer.
*
Auf der Fahrt zum Seuchenkontrollzentrum hoffte Marissa, daß Dubchek dem Wachpersonal noch keine Mitteilung davon gemacht hatte, daß sie nicht mehr in der virologischen Abteilung tätig war. Aber als sie am Eingang ihre Ausweiskarte vorzeigte, sagte der Wachmann nur lächelnd: »Na, so spät noch fleißig?«
So weit, so gut; aber vorsichtshalber ging sie doch erst einmal in ihr Büro, falls der Mann ihr etwa folgen sollte. Sie machte das Licht an und setzte sich abwartend hinter ihren Schreibtisch, aber es waren keine Schritte mehr zu hören.
Auf ihrer Schreibunterlage lagen ein paar Briefe – zwei Angebote pharmazeutischer Firmen, und das dritte war die Antwort der Firma Labortechnik in South Bend. Marissa riß den Umschlag auf. Jemand aus der Verkaufsabteilung bedankte sich für ihre Anfrage wegen der Absaughauben vom Typ HEPA3 und teilte dann mit, diese Vorrichtungen würden jeweils nur aufgrund bestimmter Kundenanforderungen gebaut. Sofern sie daran interessiert sei, müsse sie sich mit einem Architekturbüro in Verbindung setzen, das auf Klinik- und Forschungseinrichtungen spezialisiert sei. Ganz am Schluß beantwortete er die Frage, die sie eigentlich zu dem Brief veranlaßt hatte – im vergangenen Jahrhätten sie nur einen Auftrag für dieses System gehabt, und der sei für die »Professional Labs« in Grayson/Georgia gewesen.
Marissa schaute sich die Landkarte der Vereinigten Staaten an, die ihr Bürovorgänger hatte hängen lassen und von der es ihr bisher egal gewesen war, ob sie da hing. Sie suchte in Georgia herum, konnte aber Grayson nirgends entdecken. Dann wühlte sie in ihren Schubladen, weil sie meinte, dort müsse irgendwo eine Straßenkarte von Georgia sein. Schließlich entdeckte sie sie im Aktenschrank. Grayson war ein kleines Städtchen ein paar Stunden östlich von Atlanta. Was in aller Welt wollten die dort mit einer HEPA-3-Absaugschutzhaube?
Nachdem sie die Straßenkarte wieder in den Aktenschrank gelegt und den Brief in ihre Jacke gesteckt hatte, warf Marissa einen Blick in die Halle hinaus. Alles war ruhig, und der Aufzug stand noch auf demselben Stock; niemand hatte ihn benutzt. Sie fand, daß es jetzt die richtige Zeit wäre, ihr Vorhaben auszuführen.
Sie ging auf der Treppe in das darunterliegende Stockwerk und dann über den Laufgang hinüber in den Virologiebau. Sie war froh, daß sie in keinem der Büros Licht sah. Als sie an Dubcheks Büro vorbeikam, streckte sie die Zunge heraus. Das war natürlich kindisch – aber es machte Spaß. Sie bog um die Ecke und stand dann vor der luftdichten Sicherheitstür. Unwillkürlich hielt sie den Atem an, als sie Tads Karte einschob und die Kennziffern eintippte: 43-23-39. Man hörte ein Klicken, und die Tür schwang auf. Sofort nahm Marissa den Geruch des ihr vertrauten Desinfektionsmittels wahr.
Sie spürte,
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