Visby: Roman (German Edition)
Ohrstöpsel ein.
And I thought I loved Harold and I really loved John,
I really loved Alphy and I almost loved Tom.
»Wenn du wählen müsstest«, sagte sie. »Welche Version der Geschichte würdest du glauben, Eglunds oder Nandins?«
Feuchter Wind blies ihr die Haare aus dem Gesicht, riss an den Zweigen der hohen Bäume, die auf dem Streifen Land zwischen dem Meer und der Stadtmauer von Visby wuchsen. Wenige Meter vor ihnen brachen sich die Wellen am befestigten Ufer. Manchmal spritzte die Gischt bis dicht vor ihre Füße. Sie hatten Laufschuhe gekauft, einen warmen Pullover und eine warme, regenfeste Jacke, eine Kargohose und ein englisches Sachbuch über die Geschichte der Verschlüsselungstechniken. Jens hatte sie gefragt, ob sie zum Friedhof wollte; aber sie verzichtete auch heute lieber auf Gespenster.
»Das würde voraussetzen, dass eine Version in jedem Fall wahr ist.«
Seit neustem lag immer ein leises Lächeln in seinem Blick. Selbst bei Themen wie diesem. Ganz offensichtlich war sie nicht die Einzige, der die jüngste Entwicklung gut bekam.
»Gut, dann ohne zu vergleichen. Nimm nur Eglunds Version. Dass ihn irgendwelche Politiker und Geheimdienstler ins Gefängnis gebracht haben, um seinem Vater zu schaden.«
Beim Stichwort Geheimdienst bewegte er unruhig die Schultern. Bisher hatte er nicht zugegeben, dass er einmal selbst zum BND gehört hatte. Allerdings hatte er es auch nicht bestritten.
»Dhani – wie soll man heute noch feststellen … «
»Ja, ich weiß. Aber ich rede von Wahrscheinlichkeiten. Und von deiner subjektiven Einschätzung. Ohne unhöflich sein zu wollen: Du kennst solche Leute. Jedenfalls die von der Abteilung Geheimdienst. Hätten deine Exkollegen so etwas gemacht?«
»Das war Anfang der Achtziger. Da war ich fünfzehn.«
Sie sah ihn an.
»Ja, schon gut.« Er fuhr sich durch die Haare. »Meine subjektive Einschätzung. Anfang der Achtziger, das heißt: NATO -Doppelbeschluss auf der einen Seite, Friedensdemos und der Ruf nach Abrüstung auf der andern. Die NATO wollte Schweden stärker an sich binden. Olof Palme dagegen stand für Neutralität und ein kernwaffenfreies Europa. Ein paar hohe schwedische Militärs haben ihn öffentlich als Verräter bezeichnet. Über den Sturz seines Weggefährten Eglund dürfte sich so mancher gefreut haben. Und bei den Ermittlungen nach Palmes Ermordung hat die Polizei keine gute Figur gemacht. Kurz und gut: Für möglich halte ich es. Ob es wahrscheinlich ist?« Er hob die Schultern.
Was auf jeden Fall bewies, wie ernst er sie nahm. Sie und all ihre offenen Fragen. Denn diese Fakten hatte man nicht einfach so im Kopf.
Jens hatte sich informiert. Es gab schon mehr als einen Grund, ihn zu mögen.
»Und Nandins Version?«
Er zögerte. »Rainer Frohnert hat definitiv gelogen. Zumindest in Teilen. Er hat seinem Bruder erzählt, er hätte deinen … er hätte Eglund nur verraten, um seine Tochter vor dessen schlimmem Einfluss zu schützen. Aber zu der Zeit muss er schon gewusst haben, dass du gar nicht seine Tochter bist. Denn das kann er nur von deiner Mutter erfahren haben.«
»Und die war schon tot.« Sie lächelte ihn an. »Schlau, Jens. Trotzdem, auch wenn das gelogen war … «
»Richtig. Eglund könnte trotzdem der Drogenhändler gewesen sein, und Rainer Frohnert hat ihn aus anderen Gründen verraten. Aber … « Wieder ein Zögern. Anscheinend war das bei ihm fest einprogrammiert: Sobald offenes Reden verlangt war, wurde erst einmal gezögert. »Ich weiß inzwischen mehr über die zwei Männer, die in Århus bei dir waren. Angeblich machen sie gern mal Geschäfte mit den Leuten, die sie eigentlich ausspähen sollen. Auch mit solchen, die auf dem gleichen Gebiet aktiv sind wie dein … Eglund. Also muss Rainer Frohnert selbst Verbindungen zur organisierten Kriminalität haben. Sonst würden diese Männer keine Aufträge von ihm annehmen.«
Sagen wir: Sie arbeiten nicht nur für den BND .
Du hast noch nicht mal zur Hälfte begriffen, was hier vorgeht.
Aber Eglund hatte es selbst nicht begriffen. Er hatte geglaubt, einer seiner Konkurrenten wollte ihn unter Druck setzen. Weil die Männer, die sie auf Janis’ Fotos wiedererkannt hatte, für den Konkurrenten arbeiteten. Dass Nandin seine Hände im Spiel hatte, wusste er nicht. Da stand ihm womöglich noch eine Überraschung bevor.
Vielleicht sollte man ihn warnen.
O ja, Dhani. Das ist genau das, was er braucht. Deine Hilfe.
»Worauf ich hinauswill«, sagte Jens, »heute sind sie
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