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Viscount und Verfuehrer

Titel: Viscount und Verfuehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Hawkins
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Stiefelwichse gibt es zahllose Rezepte, von denen manche so unwahrscheinliche Zutaten wie Fledermausblut oder Leichenstaub enthalten. Ich bediene mich eines einfacheren Rezepts: ein Teil Kerzenwachs auf zwei Teile Champagner. Auf die richtige Temperatur erhitzt und energisch auf den Stiefel gerieben, verfehlt es selten, für beispiellosen Glanz zu sorgen. Und natürlich erspart einem dies auch, nach einem reichlich staubigen Leichnam zu suchen. Manchmal ist der einfachste Weg auch der beste.
    Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
    Vor nicht einmal einer halben Stunde hatte der Butler die Eingangstür des Smythe-Singletonschen Stadthauses geöffnet. Später sollte Beltson der Haushälterin erzählen, dass der Gast, der nun eintrat - ein Viscount von allen Gästen an diesem Abend der interessanteste gewesen sei. Von Kopf bis Fuß in strenges Schwarz gekleidet, strahlte der Besucher eine ruhige Überlegenheit aus, die ihn sogleich als Mann von Ansehen und Charakter auswies.
    Noch besser war der strahlende Smaragd, der am Krawattentuch des Gentlemans funkelte, ein Edelstein, der die hellgrünen Augen und das schwarze Haar des Herrn erst richtig zur Geltung brachte. Die Haushälterin zitterte, als sie von der Haar- und Augenfarbe des Viscounts hörte; bei diesem Anblick müssten Mr. Beltson ja die Haare zu Berge gestanden haben, erklärte sie. Ob er nicht glaube, dass er den Teufel höchstpersönlich willkommen geheißen habe?
    Der Butler antwortete nicht, da die Haushälterin die schauderhafte Angewohnheit hatte, jedes Wort zu wiederholen, das er äußerte, obwohl er beim Öffnen der Tür tatsächlich einen Augenblick gezögert hatte. Und als er den grimmigen, gnadenlosen Gesichtsausdruck des Fremden gesehen hatte, war Mr. Beltson einen Schritt zurückgewichen.
    Obwohl der Herr rasch eine höflichere Miene aufgesetzt hatte und sich als Mitglied des ton identifizierte, wurde Mr. Beltson die leise Unruhe nicht los. Er war außerordentlich froh, dass der Blick des frisch gekürten Viscount Westerville nicht ihm gegolten hatte.
    Christian hätte die Überlegungen des Butlers ziemlich zutreffend gefunden. Die Gesellschaft besuchte er nur aus einem einzigen Grund: Er wollte die Enkelin des Duke of Massingale ausfindig machen. Er würde diese Lady Elizabeth finden, sich vorstellen lassen und sich durch sie Zutritt zum Haus seines Feindes verschaffen.
    Es war ein einfacher Plan, und Christians Erfahrungen als Straßenräuber sagten ihm, dass die einfachsten Pläne oft die besten Ergebnisse zeitigten. Sein Ziel hatte er binnen zwei Minuten erreicht.
    Dass Lady Elizabeth schon etwas älter war, war eine wohl-bekannte Tatsache; vor ihrer Ankunft in London war viel über sie spekuliert worden. Allerdings sah sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters nicht so altjüngferlich aus, wie er sich erhofft hatte; es hieß sogar, dass sie die Stadt im Sturm eroberte.
    Über ihr Äußeres hatte er schon einige Informationen. Der Stallbursche, den er beauftragt hatte, sie auf Schritt und Tritt zu überwachen, war in seiner Beschreibung fast poetisch geworden. Allerdings hatte er nichts anderes erwartet -der Kerl wollte etwas liefern für die Goldmünzen, die er sich verdienen sollte. Eine Schande, dass Lady Elizabeth hübsch war, denn nun würden ihr nicht nur die ganzen Glücksritter nachstellen, sondern es würden ihr auch all die romantischen Dummköpfe den Hof machen und sie mit schrecklichen Gedichten überschütten.
    Ärgerlich, eine so öffentliche Figur zu umwerben; seinen Zwecken hätte es viel besser entsprochen, wenn sie klein, plump und sommersprossig gewesen wäre.
    Auf dem Weg in den Ballsaal strich Christian sich die Manschetten glatt und erkundigte sich beim erstbesten Gast nach Lady Elizabeth. Wie Christian vorhergesehen hatte, wusste der Dummkopf genau, wo sie zu finden war.
    Lady Elizabeth stand zwischen dem Tisch mit den Erfrischungen und den Fenstertüren und war erstaunlicherweise nicht von Verehrern umringt. Christian sah sie sich genau an. Von hinten verhieß ihre Gestalt den Liebreiz, den Christians Bursche gepriesen hatte, eine Erscheinung mit goldenem Haar und sinnlichen Kurven in blauer Seide und cremefarbener Spitze. Ihre Figur war zart und wohlgerundet, das Haar türmte sich in köstlich üppigen goldblonden Locken auf dem Kopf.
    Schade, dass eine solche Schönheit eng verwandt mit seinem Feind war, andernfalls hätte er sich ihr durchaus ohne Hintergedanken genähert.

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