Viscount und Verfuehrer
wollten das Pferd schließlich zurückbringen, oder? Von Stehlen war keine Rede! “
„Dein Großvater sah das damals anders. Vor allem, nachdem dich das Biest abgeworfen hatte. Himmel, ich war damals felsenfest davon überzeugt, dass du tot warst. Du kannst von Glück reden, dass du nicht mit dem Kopf auf einem Felsen aufgeschlagen bist. Und dein Großvater ...“ „Der regt sich dauernd über irgendetwas auf.“
„Genau, sage ich doch! Ich bekomme seinen Ärger schon oft genug zu spüren, mehr kann ich davon nicht gebrauchen.“ Beatrice sah Beth in die Augen. „Was du auch im Schilde führst, ich will dein Wort darauf, dass du es sofort wieder vergisst.“
Beth hätte sich beinahe geweigert. Dann aber entdeckte sie den arroganten Comte Villiers, der sich anschickte, sich auf sie zu stürzen. Wenn sie nicht weiter so tat, als stotterte sie, wäre sie vielleicht bald an einen Mann wie den Comte gebunden. Der Gedanke war, gelinde ausgedrückt, ernüchternd.
Sie warf dem attraktiven Viscount einen letzten bedauernden Blick zu. Er fing den Blick auf, über Lady Cumberlands Kopf hinweg.
Es fiel ihr schwer, doch Beth widerstand dem drängenden Verlangen, alle Konventionen in den Wind zu schlagen und zu ihm zu gehen. Sie riss sich zusammen und wandte sich ab, sodass er nur ihre Schulter zu sehen bekam, während sie ihrer Cousine ein gequältes Lächeln schenkte. „Also schön. Ich verspreche dir, dass ich nichts mehr mit dem Viscount zu tun haben will.“
Beatrice schüttelte den Kopf. Auf ihrer Miene zeigte sich ein Ausdruck fast komischer Bestürzung, als sie zu Westerville hinübersah. „Das Problem ist, dass ich dir keinen Vorwurf machen kann. Er ist wirklich attraktiv, und dass es auch noch heißt, er wäre ein ...“ Beatrice warf Beth einen raschen Blick zu.
„Ein was?“
Beatrice seufzte. „Ach, schon gut, früher oder später bekommst du es ja doch heraus. Bevor er den Titel erbte, war Westerville eine Art verlorene Seele auf Wanderschaft. Seine Mutter starb im Gefängnis, wo sie wegen Hochverrats einsaß, und sein Vater war der Earl of Rochester, auch wenn der ihn nie zu sich nahm. Noch schockierender ist, dass dem Earl auf dem Totenbett einfiel, dass er Westervilles Mutter tatsächlich geheiratet hatte und er nun urplötzlich zwei legitime Erben besaß.“
„So eine Geschichte glaubt doch bestimmt kein Mensch!“
„Niemand konnte das Gegenteil beweisen. Der Earl konnte Dokumente und Zeugen beibringen, sogar einen Priester, der schwört, er hätte die Zeremonie abgehalten.“
„Nein!“
„O ja! Am spannendsten ist allerdings, wo der Viscount die Jahre verbrachte, als er noch kein Viscount war.“ Beatrice senkte die Stimme. „Es heißt, er sei Straßenräuber gewesen.“
„Was?“ Beth sah zu Westerville. Er redete jetzt mit einer anderen Dame, einer Brünetten mit Saphiren im Haar. Er beugte sich vor, um ihr zuzuhören, und die dunklen Haare fielen ihm in die Stirn. Obwohl er der bestangezogene Mann im ganzen Raum war, hatte er doch etwas an sich ... etwas Wildes, Ungezähmtes. Sie zitterte. „Ich sehe ihn förmlich vor mir.“
Beatrice nickte. „Ich auch. Es heißt auch ... ach, verflixt. Da kommt der Comte. Bitte stottere, so gut du nur kannst. Ich kann diesen Mann nicht ertragen.“
Beth schnitt eine Grimasse. „Ein aufgeblasener Esel.“ „Der dringend eine reiche Frau braucht. Vielleicht solltest du dir auch noch ein paar Zuckungen zulegen.“
„Ich würde einen ganzen Anfall Vortäuschen und zu Boden fallen, wenn ich glaubte, es würde etwas helfen. Der Mann ist die reinste Pest.“
Der Comte war bei ihnen, ehe Beth antworten konnte. Die nächsten Augenblicke verbrachte Beth damit, Antworten hervorzustottern und das Kichern zu unterdrücken angesichts von Beatrices deutlichen Hinweisen, dass das Stottern noch zu Beths geringsten Problemen zählte.
Gleichzeitig musste Beth sich aber auch beherrschen, um nicht zum Viscount hinüberzusehen. Insgeheim gestand sie sich ein, dass der Mann eine Gefahr war, wenn auch eine, die leicht zu umschiffen war.
Schließlich tauchte Lady Clearmont aus dem Spielzimmer auf, mit merklich schmälerem Retikül, und scheuchte den Comte davon. Beth war bereit zum Aufbruch. Sie hatte sich mit Beatrice für nächsten Morgen verabredet, und bald saß sie in Lady Clearmonts Kutsche.
Kurze Zeit später kamen sie im Stadthaus der Massin-gales an. Beth wünschte Ihrer Ladyschaft gute Nacht und begab sich in ihr Schlafzimmer. Eilig kleidete sie sich
Weitere Kostenlose Bücher