Viscount und Verfuehrer
aus, bürstete sich das Haar, zog das Nachthemd an, schlüpfte zwischen die kühlen Laken und blies die Kerze aus. Erst als sie in vollkommener Dunkelheit dalag, erlaubte Beth sich, ausführlich darüber nachzudenken, welch verheerende Folgen ein Paar dicht bewimperter grüner Augen und ein charmantes schiefes Lächeln nach sich ziehen konnten.
4. KAPITEL
Wenn er sich Mühe gibt, kann ein guter Diener in den meisten Dingen recht behalten, eine Leistung, die den meisten Dienstherren schwerfallen dürfte.
Leitfaden für den vollkommenen Butler und Kammerherrn von Richard Robert Reeves
Erst Stunden später kehrte auch Christian nach Hause zurück, durchaus zufrieden mit den Ergebnissen dieses Abends. Ihm war nicht entgangen, dass ihn die Dame den ganzen Abend verstohlen beobachtet hatte. Und eines wusste er über die menschliche Natur: Man begehrte, was andere Menschen bewunderten. Und so hatte Christian dafür gesorgt, dass Lady Elizabeth sah, wie er mit allen möglichen Damen flirtete. Dabei spielte es für ihn keine Rolle, wie die Damen aussahen, ob sie groß oder klein, dick oder dünn, hübsch oder hässlich waren - Lady Elizabeth konnte ohnehin keine das Wasser reichen. Ein Umstand übrigens, der ihn ziemlich beunruhigte.
Reeves empfing ihn in der Eingangshalle. Christian ließ sich von ihm aus dem Überrock helfen. „Guten Abend, Reeves!“ „Es ist lang nach Mitternacht, Mylord. Guten Morgen wäre vielleicht angebrachter. “
„Um genau zu sein, es ist fast drei. Also dann, guten Morgen“, antwortete Christian.
Reeves reichte den Überrock an einen Lakaien weiter und sah dem Mann geistesabwesend nach. Sobald die Halle leer war, wandte Reeves sich an Christian. „Wollen Sie sich sofort zurückziehen, Mylord? Oder möchten Sie noch etwas speisen, damit Sie sich rascher von den Folgen der Trunkenheit erholen?“
Christian grinste. „Ich habe keinen Hunger, und müde bin ich auch nicht. Ich glaube, ich genehmige mir noch ein Glas Portwein.“
„Sie haben eine eiserne Konstitution, Mylord“, kommentierte der Butler trocken.
„Danke.“ Er wandte sich zur Bibliothek. „Hat Willie von sich hören lassen?“
„Jawohl, Mylord. Auf Ihrem Schreibtisch liegt eine Botschaft.“
„Hervorragend.“ Christian trat zum Schreibtisch, nahm den versiegelten Brief und öffnete ihn.
Reeves wartete in respektvollem Schweigen, während Christian die Botschaft las.
„Gut!“ Christian legte den Brief auf einem Seitentischchen ab. In diesem Moment fing er Reeves’ Blick auf.
„Tut mir leid, Mylord. Ich bin nur ein wenig überrascht, dass Master William überhaupt in der Lage ist, eine Nachricht zu verfassen.“
„Ich habe es ihm beigebracht. Ein nützlicher Kerl, unser Willie.“
„Gewiss, Mylord.“
„Er kommt morgen und bringt etwas Wichtiges mit.“ Christian nickte nachdenklich. „Unser Verdacht scheint Frucht getragen zu haben.“
Reeves ging zum Kamin, wo bereits Holz aufgeschichtet war. Er nahm die Zunderbox vom Kaminsims, und binnen kurzem flackerte ein kleines Feuer.
Sobald er die Abzugsklappe justiert hatte, ging der Butler zur Anrichte und goss ein Glas Portwein ein, das er anschließend Christian brachte.
Dankbar nahm Christian das Glas, ließ sich in einem Ses-sel am Kamin nieder und nahm einen Schluck. Die bernsteinfarbene Flüssigkeit floss so angenehm durch seine Kehle. „Das ist ein hervorragender Tropfen. Fast so gut wie die Ladung, die ich einmal einem italienischen Grafen in der Nähe von Bath gestohlen habe.“
„Bitte, Mylord. Reden Sie doch nicht über die alten Zeiten.“
Christian grinste. „Ich werde mich bemühen.“
„Danke, Mylord. Wo genau befindet sich der Portwein denn jetzt, den Sie, ah, besorgt haben?“
„Ich habe ihn getrunken.“
Reeves sah ihn empört an. „Allein?“
Christian überlegte. „Nun ja. Größtenteils.“
Reeves seufzte. „Manchmal sind Sie wirklich genau wie Ihr Vater.“
Christians gute Laune verflüchtigte sich. „Ich möchte Sie bitten, ihn nicht zu erwähnen. Zumindest nicht, ehe ich ein, zwei Flaschen von dem hier intus habe.“
Der Butler verneigte sich und sah klugerweise davon ab, dies zu kommentieren. Christian hatte die Zähne so fest zusammengebissen, dass ihm die Kiefer wehtaten. Sein Vater, der verstorbene Earl of Rochester, hatte Christian und seinen Zwillingsbruder nie anerkannt. Er hatte zwar regelmäßig Geld für ihren Unterhalt geschickt, aber das war auch alles gewesen.
Schlimmer noch, als ihre Mutter
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