Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vision - das Zeichen der Liebenden

Vision - das Zeichen der Liebenden

Titel: Vision - das Zeichen der Liebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena , Javier Pelegrin
Vom Netzwerk:
mehr erinnert, was am Tag zuvor passiert war. Aber ich wusste, wie der nächste Tag sein würde: dass du wahrscheinlich auf den Küchentisch steigen und herunterfallen würdest. Deswegen habe ich dir zum Geburtstag einen kleinen Schaumgummihelm geschenkt. Deine Mutter hat nur den Kopf geschüttelt, aber du fandest ihn toll und bist den ganzen Tag damit herumgelaufen. Nicht einmal zum Schlafen hast du ihn ausziehen wollen… Zum Glück, denn am nächsten Tag bist du tatsächlich vom Küchentisch gefallen.«
    Alex war blass geworden. »Was meinst du damit?«, sagte er. »Soll das heißen, dass du… dass du…?«
    »Dass ich einer von ihnen bin?«, ergänzte sein Vater. »Ja, Alex, ich bin einer von ihnen. Ich bin der letzte Kurile. Zephyr war ein Vorfahre von mir. Als die Drakul ihn verbannten, versteckte er sich vor den Medu und gründete eine Familie bei den Menschen. Er brachte seinen Kindern die Kunst bei, auf dem Wind zu reiten, und diese gaben sie von Generation zu Generation weiter, bis zu mir. Mein Vater und mein Großvater beherrschten die Kunst, wandten sie jedoch nie an, zu groß war ihre Angst, von den Drakul aufgespürt zu werden. Mir hingegen blieb nichts anderes übrig, als auf dem Wind zu reiten, bis ich ein richtiger Kurile sein würde. Die Zeiten hatten sich geändert, die Rückkehr des Letzten rückte näher. Und ich wollte Laura und dich unbedingt schützen vor dem, was alles auf uns zukam. Ich hoffe so sehr, es ist mir gelungen. Mein Opfer darf nicht vergeblich gewesen sein!«
    In Alex’ Kopf wirbelten Hunderte von Fragen durcheinander. Er wusste kaum, wo er anfangen sollte. »Wenn du die Zukunft sehen kannst, wieso weißt du dann nicht, ob es dir gelungen ist, uns zu schützen oder nicht?«, begann er.
    Sein Vater schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ich sehe nicht die Zukunft, sondern viele mögliche Varianten der Zukunft voraus. Wir Kurilen versuchen festzustellen, wie wahrscheinlich eine Variante ist. Und was wir tun können, damit sie eintrifft. Für euch beide habe ich verschiedene Möglichkeiten gesehen. Manche gefallen mir, andere nicht. Natürlich werde ich alles in meiner Macht Stehende versuchen, damit eine der Möglichkeiten, die ich mir für eure Zukunft wünsche, wahr wird. Aber unsere Kunst ist nicht unfehlbar. Ich kann nicht mit absoluter Sicherheit vorhersagen, was geschehen wird.«
    Alex holte tief Luft. Er hatte plötzlich das Gefühl, dass sich ganz allmählich einige der vielen verwirrenden Puzzleteile in seinem Kopf zu etwas zusammenfügten, das er erkennen konnte. »Die Medu glauben, ich könnte mich in einer dieser Varianten in den Letzten verwandeln«, sagte er. »War es das, was du vermeiden wolltest?«
    In den Augen seines Vaters flackerte es einen Moment lang unruhig. »Komm, wir setzen uns hin.« Er zeigte auf die zwei Stühle links und rechts des Schachtischs. »Dort ist es gemütlicher. Die Kurilen haben schon immer viel Schach gespielt, es hilft, um sich im Windreiten zu üben. Auch beim Schach geht es darum, alle möglichen Entwicklungen einer Partie vorherzusehen. Man schätzt ein, wie wahrscheinlich sie sind, und versucht anschließend, die vorteilhafteste Partie durchzusetzen. So was Ähnliches machen wir im Leben ja auch.«
    Alex folgte seinem Vater. Säuberlich aufgereiht standen die lackierten Holzfiguren auf dem Schachbrett. Hugo überließ seinem Sohn die weißen Figuren, er selbst nahm auf der gegenüberliegenden Seite vor den schwarzen Spielfiguren Platz.
    »Du willst spielen?« Alex war überrascht.
    »Mal sehen, ob von unseren Partien etwas hängen geblieben ist.« Sein Vater nickte. »Was denkst du? Ein bisschen Übung kann nicht schaden, oder? Bestimmt hast du ewig nicht gespielt.«
    Halbherzig nahm Alex den Königsbauer in die Hand und rückte ihn zwei Felder nach vorn. Sein Vater antwortete sofort mit demselben Zug.
    »Weißt du eigentlich, dass du sterben wirst?« Die Frage war Alex herausgerutscht und er bereute sie in dem Moment, in dem sie ausgesprochen war. Wie taktlos von ihm! Doch seinen Vater schien sie nicht zu stören.
    »Ja, das ist eins der wenigen Dinge, die ich mit Sicherheit weiß. Aber nur weil es ganz und gar von mir abhängt.«
    Alex erstarrte mitten im Zug. Reglos schwebte der Bauer in der Luft. »Dann stimmt es also doch, was die Polizei gesagt hat? Du willst dich umbringen?«
    Amüsiertes Gelächter war die Antwort. »Natürlich nicht! Ich werde mich nicht umbringen. Trotzdem weiß ich, dass ich sterben werde. Denn die Zukunft,

Weitere Kostenlose Bücher