Vision - das Zeichen der Liebenden
als sie zu Windreitern wurden. Allerdings nicht lückenlos – nur das, was man für die Geschichte des Klans für wichtig hielt. Doch das Besondere an diesen Büchern war, dass sie einen eigenen Willen hatten.«
Alex runzelte die Stirn. »Bücher mit eigenem Willen? Woher kamen diese Bücher?«
»Ich weiß es nicht«, gab Hugo zu. »Denn auch mein Vater und mein Großvater hatten keine Erklärung dafür, woher diese Bücher stammten. Wir wissen nur, dass es eine geheimnisvolle Verbindung zwischen den Büchern und diesem Turm gab. Und dass die mächtigsten Kurilen-Magier die Bücher dazu bringen konnten, bestimmte Ereignisse festzuhalten und andere auszulassen.«
»Was wurde aus den Büchern, als der Klan unterging?«, fragte Alex, während er einen neuen Schachzug mit einem Bauern machte.
Hugo seufzte. »Drakul hat dafür gesorgt, dass sie verbrannt wurden. Um sicherzustellen, dass mit dem Wissen der Kurilen auch die Kunst, auf dem Wind zu reiten, ausstirbt. Er wusste, dass sie die Bücher brauchten, um leben zu können, dass ein Leben ohne Vergangenheit die Hölle für sie sein würde.«
»Aber Zephyr hat ohne Bücher überlebt…«
Hugo nickte, die Augen fest aufs Schachbrett gerichtet. »Er hat überlebt, aber nicht ohne Bücher. Es ist ihm gelungen, bei seiner Flucht eins mitzunehmen. Dieses Buch ist immer in unserer Familie geblieben, es wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Zumindest bis jetzt.«
»Was meinst du damit? Hast du es nicht mehr?«
»Darüber wollte ich mit dir reden. Wenn ich sterbe, wird das Buch verschwinden. Und es wird deine Aufgabe sein, dieses Buch zu finden und an dich zu bringen. Nur dann kann die Zukunft eintreten, von der ich dir erzählt habe.«
Sie tauschten einen langen, stummen Blick.
»Du hast keine Lust auf dieses Spiel, hm?« Hugo lächelte bemüht. »Du wirkst ziemlich zerstreut.«
»Wundert dich das? Ich versuche, mich auf unser Gespräch zu konzentrieren. Du sagst also, das Buch wird verschwinden. Wird es gestohlen? Du musst das doch in einer Vision gesehen haben. Du weißt, was damit passiert, und sagst es mir nicht, oder?«
Als sein Vater den Kopf schüttelte, stöhnte Alex gequält auf. »Papa, du musst mir helfen! Wie soll ich dieses Buch finden, wenn ich nicht mal weiß, wo ich mit der Suche anfangen soll? Wie sieht es überhaupt aus? Kannst du es mir wenigstens beschreiben?«
Hugo holte tief Luft. »Tut mir leid, mein Sohn, das geht nicht. Das Buch kommt nur zu dir, wenn es dir gelingt, es ganz ohne Hilfe aufzuspüren. Ich kann dir nur einen einzigen Hinweis geben: Du musst etwas Lebensgefährliches tun, wenn es dir wirklich ernst damit ist, das letzte Buch der Kurilen zu suchen. Es fällt mir unendlich schwer, das von dir zu verlangen, aber mir bleibt keine andere Wahl, denn ich habe es klar gesehen: Die Vision der Zukunft, in der du das Buch an dich bringst, ist dieselbe, in der du dich in die Festung der Drakul wagst.«
Alex nickte. »Okay. Das heißt, um frei bleiben zu können, muss ich das Buch finden. Und um das Buch zu finden, muss ich in diese Festung. Na gut. Wie komme ich dahin?«
Hugo hob die Schultern. »Die Festung ist unter einem dunklen Schleier verborgen, der so undurchdringlich ist, dass bisher nicht einmal die Wächter sie finden konnten. Niemand weiß, wie das den Drakul gelingt. Vielleicht hat es etwas mit dem Pakt zu tun, den sie mit diesem alten Dämon geschlossen haben, damals, als es darum ging, den Letzten zu besiegen.«
»Aber wenn niemand weiß, wo sie ist, wie soll ich sie dann finden?«, fragte Alex irritiert. »Ich hab ja nicht mal magische Fähigkeiten.«
»Du musst erreichen, dass Ober dich zu sich bittet. Nur so gelangst du dorthin.«
Hugo stand auf und ging zu der Klepsydra an der gegenüberliegenden Wand. Geistesabwesend betrachtete er den komplizierten Mechanismus, der den Aufstieg des Wassers im unteren Gefäß in eine Bewegung der Zeiger auf dem blau-goldenen Zifferblatt übertrug.
Als er weitersprach, drehte er sich nicht um. »Halt dich an Erik. Bitte ihn, dir eine Einladung seines Vaters zu besorgen. Ober wird ihm diesen Wunsch nicht abschlagen. Und außerdem ist er es dir schuldig.«
Alex blieb stumm. An Erik zu denken, versetzte ihm einen Stich. Er wusste, dass er seinen Freund um den Gefallen bitten würde, wenn es sein musste. Aber der Gedanke gefiel ihm nicht.
»Alex, wenn du dir nicht sicher bist, lass es bleiben.« Hugo hatte sich ihm wieder zugewandt. »Die Festung ist ein sehr
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