Vision - das Zeichen der Liebenden
hat es der Sohn von Alma, der letzten Anführerin der Agmar. Damit hat er unsere Gesetze gebrochen und uns alle in Gefahr gebracht.« Sein Blick wanderte von Alex zu Jana, die ihm äußerlich unbewegt standhielt. »Du hast das Recht, dich im Namen deines Bruders zu erklären«, sagte er sanft zu ihr. »Aber ich weise dich darauf hin, dass wir sehr unzufrieden sind. Auf uns kommen schwere Zeiten zu, eine Bedrohung, wie es sie seit Jahrhunderten nicht mehr gab. Wir haben keine Zeit für interne Querelen und wir können es uns erst recht nicht leisten, uns auch noch Probleme mit den Menschen einzuhandeln. Sobald du volljährig bist, sollst du die Agmar führen. Aber du hast uns gezeigt, dass du nicht einmal deinen Bruder unter Kontrolle hast.«
Während Ober sprach, schüttelte Pertinax traurig den Kopf. »Arme Alma«, sagte er laut genug, dass alle ihn hören konnten. »Diese Schande hat sie nicht verdient.«
Jana warf ihm einen scharfen Blick zu. Ein halb spöttisches, halb verächtliches Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie sich an Ober wandte. »Wie ich sehe, wird die Bitte meines menschlichen Freundes als Vorwand benutzt, um vor den Klanführern über mich zu richten«, sagte sie mit klarer Stimme. »Aber vorher solltest du Alex die Antwort geben, die du ihm schuldest: Wirst du seinen Wunsch erfüllen?«
Obers Augen wurden schmal vor Zorn. »Das entscheide ich später«, erwiderte er schneidend. »Zuerst werden wir über dich und deine Leute sprechen. Wir hegen schon seit einiger Zeit ernste Zweifel an deiner Berechtigung, die Führung der Agmar zu übernehmen, denn seit dem Tod deiner Mutter hast du noch zu keinem Zeitpunkt bewiesen, dass du ihre magischen Fähigkeiten geerbt hast.«
»Wann hätte ich sie denn beweisen sollen? Pertinax hat mich seitdem ziemlich erfolgreich in den Hintergrund gedrängt und mich daran gehindert, vor meinen Leuten als Almas legitime Nachfolgerin aufzutreten. Ich glaube, manchmal vergisst er, dass seine Zeit als Herrscher an meinem achtzehnten Geburtstag enden wird.«
Zitternd vor Empörung mischte sich Pertinax ins Gespräch ein. »Wie kannst du nur so undankbar sein! In den letzten Jahren habe ich nichts anderes getan, als dich zu beschützen und deine – wie soll ich es nennen? –, deine Unzulänglichkeit zu vertuschen. Ich habe dafür gesorgt, dass du nicht an den Jahresversammlungen des Klans teilnimmst, damit du dich nicht lächerlich machst. Arme, arme Alma. Zumindest das konnte ich für sie tun. Sie hatte nie im Sinn, dich zu ihrer Nachfolgerin zu machen.«
Einen Moment lang fürchtete Alex, Jana würde sich gleich auf den alten Mann stürzen, doch wieder ließ sie sich von Pertinax’ unverschämter Heuchelei nicht aus der Ruhe bringen.
»Pertinax verteidigt die Interessen seiner Töchter und das kann ich ihm nicht verübeln«, erklärte sie gelassen. »Natürlich setzt er seine ganzen Hoffnungen auf sie, aber die anderen Klane sollten sich nicht für die größenwahnsinnigen Ideen eines armen Alten einspannen lassen. Die einzig legitime Nachfolgerin von Alma bin ich. Und das kann ich jedem beweisen, der es wagt, es in Zweifel zu ziehen.«
Am Kopfende des Tischs erhob sich Gemurmel. Lenya stand auf, um sich Gehör zu verschaffen. »Die internen Streitigkeiten der Agmar gehen uns alle an«, sagte sie ernst. Alex war überrascht über den singenden Tonfall in ihrer Stimme, der so gar nicht zu ihrem strengen Äußeren passte. »Vergessen wir nicht, was die Prophezeiung besagt: Der Letzte wird das nächste Mal auf ihrem Terrain erscheinen.«
Alex spürte die Seitenblicke, die mehrere der Anwesenden ihm zuwarfen. Es war offensichtlich, dass einige von ihnen in ihm den Letzten vermuteten – trotz des Tattoos. Ober schien allerdings nicht dazuzugehören.
»Dieses Terrain gehört auch uns, Varulf«, warf Glaukos barsch ein. »Und da offensichtlich weder dieser inkompetente Alte noch das unerfahrene Mädchen fähig sind, die drohende Gefahr von uns abzuwenden, schlage ich vor, dass die Agmar als Klan aufgelöst werden und man ihre Territorialgewalt auf uns überträgt.«
Ober machte sich nicht die Mühe zu verbergen, wie absurd er diese Forderung fand. Ohne Jana aus den Augen zu lassen, brach er in höhnisches Gelächter aus. »Ach komm, Glaukos, jetzt übertreib mal nicht. Obwohl die Agmar geschwächt sind, hat dein Klan in den letzten Jahren alle Schlachten gegen sie verloren. Daran konnten nicht einmal deine Ghuls etwas ändern… So inkompetent kann Pertinax also
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