Vision - das Zeichen der Liebenden
verschiedenen Körpern und Zeiten wiedergeboren wird, ist diese Macht.«
Erik stand auf, um noch einmal einen Blick in den Flur zu werfen, ehe er sich wieder an Alex’ Bett setzte.
Alex hatte noch nicht genug erfahren. »Du sagst, es gibt nur sieben Klane mit jeweils ein paar Hundert Mitgliedern. Das sind nicht gerade viele Leute. Aber ich habe langsam das Gefühl, um mich herum sind lauter Medu!«
Erik nickte ernst. »Da liegst du gar nicht so falsch. Wir Medu können nicht überall leben. Es gibt besondere Orte, wo wir uns in Sicherheit fühlen. Dort konzentrieren wir uns. Diese Stadt ist ein solcher Ort, wer von uns weiß, der wird uns vor allem in der Antigua Colonia und in Los Olmos finden.«
»Willst du damit etwa sagen, die ganze Schule ist voll von euch?«
Die Antwort war ein Grinsen. »Na ja. Die meisten Schüler sind Menschen. Aber, ja, es gibt auch ein ganze Menge Medu.«
»Und wissen das die Lehrer? Ich meine… Wie viele ›normale‹ Leute wissen über euch Bescheid?«
Nachdenklich hielt Erik den Kopf schräg. »Keine Ahnung«, gab er zu. »Nicht viele, glaube ich, nur der Rektor und ein paar Lehrer. Die Klane sind gut getarnt. Aber wie gesagt, Los Olmos ist ein ganz besonderer Ort für uns.«
Alex biss sich auf die Unterlippe. »Und ich? Und mein Vater? Was haben wir mit euch zu tun?«
Erik musterte ihn misstrauisch. »Wie kommst du jetzt auf deinen Vater?«, fragte er.
»Er wusste auch Bescheid, oder? Deshalb musste er sterben. Das hat David mir gesagt. Dass er gestorben ist, weil er zu viel wusste. Und dass der Mörder meines Vaters auch seine und Janas Eltern umgebracht hat.« Alex blickte Erik forschend in die Augen, konnte jedoch nichts in dessen undurchdringlichem Blick lesen.
»David hat dich angelogen, Alex«, sagte sein Freund. »Das Problem war nicht dein Vater. Eigentlich wollte ich es dir erst später sagen, aber du lässt mir keine andere Wahl. Das Problem bist du.«
Alex lächelte verständnislos. »Was? Ich weiß doch nur, was du mir gerade erzählt hast und was mein Vater…«
»Dein Vater wollte dich nur beschützen. Deshalb musste er sterben. Verstehst du nicht? Wir wissen, dass der letzte Wächter schon auf der Welt ist. Die Prophezeiung nennt auch den Tag und den Ort seiner Geburt. Der Ort ist diese Stadt und der Tag dein Geburtstag. Alex, ist dir klar, worauf ich hinauswill?«
Eine Welle des Schwindels überrollte Alex. Alles um ihn herum drehte sich, er musste die Augen schließen.
Als er sie wieder öffnete, standen die Dinge in seiner Umgebung wieder unbeweglich an ihrem Platz. »Du bist verrückt.« Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern. »In dieser Stadt sind bestimmt zig Leute am selben Tag geboren worden wie ich. Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn!«
»Vielleicht nicht. Aber alles deutet darauf hin, dass du es bist. Der neue Wächter der Worte. Viele von uns glauben das. Deswegen überwachen wir dich seit Jahren. Deswegen sind Jana und ich vom ersten Schuljahr an in deine Klasse gegangen. Dein Vater muss das irgendwie rausgekriegt haben. Deshalb wurde er umgebracht, glaube ich.«
»Glaubst du? Du glaubst es nur?« Alex schrie jetzt fast. »Gerade hast du gesagt, du bist der Sohn eures Anführers und hast mich die ganze Zeit überwacht. Und jetzt behauptest du, du wüsstest nicht, wer ihn umgebracht hat?«
Erik wich seinem Blick aus. Er starrte auf die schmutzige Fensterscheibe. »Mehr kann ich dir nicht sagen. Ich hätte meinen Mund halten sollen. Aber früher oder später hättest du es sowieso erfahren.«
Bleiernes Schweigen schob sich zwischen die beiden Freunde.
»Und selbst wenn es wahr wäre… Angenommen, ich wäre wirklich der, für den ihr mich haltet. Was würdet ihr dann mit mir machen?«
Erik hob den Blick, nur einen flüchtigen Moment lang sah er seinem Freund in die Augen. »Dich umbringen«, sagte er nüchtern. »Aber du bist es nicht, Alex. Das habe ich immer gewusst. Und jetzt bin ich mir noch sicherer. Wächter können nicht tätowiert werden. Unsere Magie wirkt nicht bei ihnen. David hat dir also sogar einen großen Gefallen getan. Wenn er dich tätowieren konnte, heißt das, dass du nicht der Wächter der Worte sein kannst.«
Alex ballte unter der Decke die Fäuste, seine Finger schlossen sich so fest umeinander, dass es schmerzte. Er konnte seine Wut kaum noch zurückhalten. »Na toll«, knurrte er. »Was für ein Glück, dass du mich nicht umbringen musst! Dann können wir ja jetzt weiter so tun, als wären wir
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