Visionen Der Nacht: Der Geheime Bund
verkneifen. Lewis grinste keck zurück. Sie setzten sich mit Annas Eltern an den Tisch. Das Abendessen bestand aus Hamburgern, Lachs, Mais, Brokkoli und Salat. Dazu tranken sie Birkenlimonade. Zum Nachtisch gab es einen Beerenkuchen. Kaitlyn war noch nie so glücklich, Gemüse zu sehen. Alle stürzten sich so gierig auf das Essen, dass Mrs. Whiteraven sich verwundert die Augen rieb. Doch solange sie aßen, stellte sie keine Fragen.
Dann wischte sie sich die Hände an einem Geschirrtuch ab und rutschte mit dem Stuhl ein wenig zurück. »Also, wie wäre es«, sagte sie, »wenn ihr uns jetzt mal erklärt, wie es euch hierher verschlagen hat?«
KAPITEL ELF
Kaitlyn blickte von Annas Mutter zu Annas Vater, einem ernsthaften, ruhigen Mann, der während des Abendessens kaum ein Wort gesprochen hatte. In der Küche war es warm und still. Die Deckenlampe spendete ein gelbes Licht, das warm auf die Fichtenmöbel strahlte.
Kaitlyn warf Rob einen kurzen Blick zu. Sie alle sahen einander an, alle fünf, die im Netz miteinander verbunden waren.
Sollen wir?, fragte Anna.
Ja, erwiderte Kaitlyn und spürte, dass die anderen derselben Meinung waren. Aber nur deine Eltern …
»Ihr beiden geht spielen«, sagte Anna zu ihren Brüdern, »okay? Und …« Sie sah Lydia an und zögerte. Kaitlyn erkannte das Problem auf Anhieb. Anna war von Natur aus sanftmütig. Es fiel ihr schwer, einen Gast, mit dem sie soeben gegessen hatte, zum Gehen aufzufordern.
Du bist so weichherzig, dachte sie, da ergriff Gabriel bereits die Initiative.
»Ich glaube, Lydia und ich könnten einen kleinen
Spaziergang vertragen«, sagte er. »Es hat aufgehört zu regnen.« Er stand auf und wirkte von Kopf bis Fuß wie ein galanter Gentleman, wenn man den spöttischen Schimmer in seinen Augen außer Acht ließ. Höflich reichte er Lydia die Hand.
Lydia blieb nichts anderes übrig. Sie wurde so blass, dass die drei Sommersprossen auf ihrer Nase noch stärker auffielen. Sie stand auf, bedankte sich bei Annas Eltern und nahm Gabriels Hand. Lewis warf den beiden einen wehmütigen Blick zu.
Nimm dich in Acht, sagte Kaitlyn zu Gabriel, während er mit Lydia aus dem Zimmer ging.
Wovor? Vor übersinnlichen Attacken – oder vor ihr?, fragte er belustigt.
Als auch Annas Brüder die Küche verlassen hatten, gab es keine Ausreden mehr. Mit einem kurzen Blick in die Runde atmete Anna tief ein und begann, ihren Eltern die ganze Geschichte zu erzählen.
Fast die ganze Geschichte. Ein paar schauerliche Details ließ sie aus, und auch das telepathische Netz blieb unerwähnt. Doch sie erzählte ihnen von Marisol, dem Kristall, der übernatürliche Kräfte verstärkte, und von Mr. Zetes’ Plänen, seine Probanden in ein paranormales Einsatzkommando zu verwandeln. Rob holte die Akten, die er aus dem versteckten Büro mitgenommen hatte.
»Und wir hatten immer wieder denselben Traum«,
sagte Anna. »Von einer kleinen Halbinsel in grauem Wasser, und gegenüber lag eine Klippe mit Bäumen und einem weißen Haus. Wir glauben, dass die Leute in dem Haus uns die Träume schicken und dass sie uns helfen wollen.« Sie berichtete von Kaitlyns Begegnungen mit dem Fremden.
»Er schien nicht sonderlich gut auf das Institut zu sprechen zu sein«, warf Kait ein. »Und er hat mir ein Bild gezeigt, mit einem Garten und einem riesigen Kristall, so ähnlich wie der von Mr. Zetes. Wir glauben, dass die Leute dort vielleicht etwas darüber wissen. «
Mrs. Whiteraven hatte tiefe Falten auf der Stirn. In ihren schwarzen Augen war während Annas Bericht wiederholt ein Blitzen zu sehen gewesen, insbesondere, als es um Mr. Zetes’ Pläne ging. Mr. Whiteravens Gesicht war immer finsterer geworden; die eine Hand hatte er zur Faust geballt. Wie Tony hatten beide offenbar keine Mühe zu glauben, was Anna ihnen erzählte.
»Heißt das etwa«, sagte Annas Mutter, »dass ihr zu dem weißen Haus wollt, ohne eine Vorstellung zu haben, wo das überhaupt ist?«
»Wir haben eine grobe Vorstellung«, sagte Anna. »Es ist im Norden. Und wir erkennen es, wenn wir es sehen: Die Halbinsel wird von merkwürdigen Steintürmen gesäumt. Irgendwie kommen sie mir bekannt
vor. Ich male sie euch mal auf.« Sie holte einen Bleistift und begann auf die Rückseite eines Blattes aus den Aktenmappen zu zeichnen. Sie seufzte. »Nein, Kait, du bist die Künstlerin. Mach du mal.«
Kaitlyn tat ihr Bestes und skizzierte einen hohen, unregelmäßig geformten Steinhaufen. Er sah ein bisschen aus wie ein Schneemann mit
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