Visionen Der Nacht: Die Dunkle Gabe
Kaitlyn, als Rob, auf Lewis und Anna gestützt, ins Labor wankte. Joyce half ihm, sich hinzulegen.
Er antwortete mit einem mentalen Augenzwinkern. Na klar. Hast du etwas herausgefunden?
Es war ein Kristall, erwiderte Kait. Wir müssen herausfinden, was das alles zu bedeuten hat.
Klar, sagte Rob. Sobald sie mich wieder aufstehen lässt.
Als Kait zur Tür ging, blickte Joyce auf. »Ehe du gehst, was hast du denn gezeichnet?«
Kaitlyn holte das Klemmbrett und zeigte ihr die Rose.
»Na ja, nächstes Mal haben wir mehr Glück. Es sollte eigentlich ein Pferd sein. Tut mir leid, dass wir den Test unterbrechen mussten.«
»Das macht nichts«, sagte Kaitlyn. »Ich gehe nach oben, um das Elektroden-Zeugs aus dem Haar zu bekommen. « An die anderen gerichtet fügte sie hinzu: Am besten treffen wir uns vor dem Abendessen.
Sie ging nach oben. Sie wollte nachdenken, aber sie fühlte sich benebelt, und es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren.
Kaitlyn, erreichte sie Robs innere Stimme. Ist mit dir alles in Ordnung?
Kaitlyn wollte gerade antworten, als ihr klar wurde, wie es ihr eigentlich ging. Ach Rob, ich bin ein Idiot. Ich habe ganz vergessen, was das letzte Mal passiert ist, als sie das mit mir gemacht hat.
Lewis’ und Annas Anteilnahme war spürbar, doch Rob sprach es aus. Kopfschmerzen.
Rasende Kopfschmerzen, erwiderte Kait. Sie werden immer schlimmer.
Robs Ärger war fast greifbar. Und ich komme hier nicht weg, weil Joyce einen Riesenwirbel um mich veranstaltet.
Das macht nichts, erwiderte Kaitlyn rasch. Du bist angeblich zusammengebrochen, also musst du da jetzt durch. Unternimm nichts, was sie misstrauisch machen könnte.
Um sich abzulenken, sah sie aus dem Fenster. Selbst das schwache Licht setzte ihr zu, und sie musste blinzeln. Und dann sah sie etwas, das ihr das Herz bis zum Hals schlagen ließ.
Postwendend kam von unten eine Welle der Besorgnis. Was ist los?, fragte Lewis. Stimmt was nicht?
Es ist nichts, sagte Kait. Keine Sorge. Ich muss nur etwas nachsehen. Es war das erste Mal, dass sie versuchte, die anderen hinters Licht zu führen, doch sie wollte einen Augenblick allein nachdenken. Sie wusste, dass sie das respektieren würden. Es war, wie wenn man in einem Raum voller Menschen den anderen den Rücken zukehrte — die einzige Möglichkeit, für sich zu sein, die sie alle jetzt noch hatten.
Sie verharrte vor dem Fenster und betrachtete die schwarze Luxuslimousine, die auf dem schmalen Weg an der Hintertür geparkt war — und die beiden Gestalten, die daneben standen. Der eine war groß, hatte weiße Haare und trug einen Mantel. Der andere war schlank, hatte dunkle Haare und trug einen roten Pullover.
Mr. Zetes und Gabriel. Sie unterhielten sich an einem Ort, an dem niemand sie hören konnte.
KAPITEL VIERZEHN
Kaitlyn lief nach unten und schlüpfte durch die Hintertür.
Leise, leise, sagte sie sich, als sie den Abhang hinter dem Institut hinunterschlich. Leise und vorsichtig. Sie hielt sich im Schatten der Mammutbäume, pirschte sich an ihre Beute heran.
Sie kam so nah, dass sie Gabriel und Mr. Zetes sehen konnte. Sie kniete sich hinter einen Busch und spähte durch das stachlige immergrüne Laub.
Es verschaffte ihr eine gewisse Genugtuung, dass Gabriels Schutzwall auch seine Nachteile in sich barg. Er hatte sich so wirksam vor den anderen verbarrikadiert, dass er nun auch sie, die nur wenige Meter von ihm entfernt war, nicht wahrnahm. Glücklicherweise hatte Mr. Zetes seine Hunde nicht dabei.
Kaitlyn lauschte.
Ein Gedanke quälte sie schlimmer noch als der Kopfschmerz. Sie hatte die schreckliche Befürchtung, dass sich die beiden über die telepathische Verbindung der fünf unterhielten.
Einerseits wäre das nicht weiter überraschend. Der Druck auf Gabriel war mit jedem Tag größer geworden.
Er war verzweifelt, und verzweifelte Menschen greifen zu verzweifelten Methoden.
Doch wenn er sie verraten hatte, wenn er hinter ihrem Rücken zu Mr. Zetes gegangen war …
Was sie jedoch hörte, beruhigte ihren Puls wieder ein wenig, denn die Unterhaltung schien sich um etwas völlig anderes zu drehen. Mr. Zetes stärkte Gabriel den Rücken, machte ihm überschwängliche Komplimente, schmierte ihm Honig um den Mund. Kait fühlte sich an die Rede erinnert, die Mr. Zetes an ihrem ersten Tag im Institut gehalten hatte.
»Ich kann mir schon vorstellen, wie es dir geht«, sagte er. »Du fühlst dich von der Gesellschaft unterdrückt, in die Alltäglichkeit gezwungen. In ein mittelmäßiges
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