Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
schon!“, insistiere ich unerbittlich.
„Na ja, ich dachte nur gerade, wenn Kay dein erster Freund ist … ob nicht vielleicht du … oder er … also, ich meine … was ich sagen will, ist …“
„Du denkst, dass Kay oder ich irgendwann denken, wir hätten vielleicht etwas verpasst?“, bringe ich es auf den Punkt.
„Hmhmm … das trifft’s ziemlich genau!“
„Ich kann es mir nicht vorstellen, Rheena“, sage ich nachdenklich. „Das mit Kay und mir ist was ganz Besonderes!“
„Ja, ich weiß. Und das kann auch jeder sehen. Manchmal denke ich, ihr beiden seid für einander gemacht worden!“
Wenn du wüsstest!
„Halt mich nicht für verrückt, aber manchmal denke ich, dass viel mehr hinter eurer Beziehung steckt.“
Oh oh!
Die Wendung gefällt mir gar nicht!
Ich werde blass … und Rheena wechselt wieder das Thema.
Gekonnt tut sie so, als hätte sie den letzten Satz nie geäußert, und ich beginne, mich wieder etwas zu entspannen.
Allerdings gerade mal so lange, bis ich ihre nächste Frage höre.
„ Erzählst du mir, was es mit Vics Tattoo auf sich hat?“
Verflixt!
Das Kim - T attoo!
Eigentlich hätte ich damit rechnen müssen, dass, egal wie groß Rheenas Schmerzen auch zu jenem verhängnisvollen Zeitpunkt waren, ihr diese Kleinigkeit nicht entgangen ist.
Wobei Kleinigkeit stark untertrieben ist.
Um Vics durchtrainiertem Oberkörper keine Beachtung zu schenken, hätte Rheena schon tot sein müssen!
Fast muss ich grinsen, konzentriere mich stattdessen jedoch lieber darauf, wie ich jetzt am Dümmsten wieder aus dieser Sache rauskomme.
Wenn ich diese an sich doch recht harmlose Frage nicht beantworte, könnte das mehr Schaden anrichten, als mir lieb ist.
Auch, und vor allem, im Hinblick auf dieses unselige Erlebnis in der Turnhalle, das ich noch immer nicht verdaut habe.
Mit aller Macht dränge ich den dicken Knödel in meiner Kehle zurück, sehe meine liebste Freundin offen an und antworte leise.
„Ich hab ihn … äh … ich hab ihm das Leben gerettet.“
„Du hast ihn geheilt“, widerspricht Rheena.
Bitte, bitte nicht, Rheena!
Ihrer Stimme ist nicht anzuhören, ob sie sich darüber wundern soll, oder es für ein absolut übliches Talent eines Teenagers hält, mal eben durch Handauflegen Krankheiten zu heilen.
„ Genau so, wie du mich geheilt hast.“
Und da ist es!
Ich sage nichts … was, bitteschön, soll ich denn hierzu auch sagen?
„Ich dachte, wir wären Freundinnen!“, flüstert sie.
Rheena ist nicht sauer.
Scheiße, damit hätte ich wenigstens umgehen können.
Nein, meine Freundin ist traurig … verletzt.
„Aber das sind wir doch!“
Rheena schüttelt den Kopf, steht auf und geht Richtung Tür.
„Freundinnen vertrauen einander alles an, Kim.“
Wie gerne würde ich das tun …
„Ich kann nicht, Rheena … ich darf nicht …“
Mein Hals ist wie zugeschnürt, als ich begreife, dass ich meine einzige und allerbeste Freundin zu verlieren im Begriff bin.
„… und sie belügen einander niemals!“
„Aber ich lüge nicht, Rheena … bitte …“
Ich kann dir nur nicht alles sagen!
„Tut mir leid, Kim. Weißt du, mit dieser Art Geheimniskrämerei habe ich daheim schon mehr als genug am Hut ...“
Was?
„ Ich … versteh dich nicht“, gebe ich konsterniert zu, „was meinst du damit?“
Rheena schüttelt traurig den Kopf.
„Das ist eine andere Sache, Kim. Und vollkommen irrelevant!“
Na klar … wäre das wirklich der Fall, hätte sie es doch nicht erwähnt, oder?
„Wer bist du, Kim?“
Ohne Vorwarnung trifft mich diese Frage … macht mich sprachlos.
Rheena starrt mich aus ihren dunklen Augen an und ich werde noch einen Tick bleicher, als ich es ohnehin schon bin.
Ich halte die Luft an, suche in meinem überforderten Gehirn nach einer plausibel klingenden Ausrede.
Trotzdem bin ich für einen kleinen Moment erleichtert.
Erleichtert, weil sie gefragt hat „ wer bist du“ …
Doch dann …
„Oder sollte ich besser fragen ...“
„Tu's nicht!!!“, falle ich meiner besten Freundin ins Wort.
Meine Stimme klingt genau so, wie das rostige Messer sich anfühlt, das sich mir bei ihren Worten unbarmherzig tief in die Brust bohrt.
Jenes Messer, das meine inzwischen dünne Haut Streifen für Streifen von meinem Körper schält und eine rohe Masse hilfloser Angriffsfläche bietet.
Rheena hat die Tür erreicht, legt ihre Hand auf den Griff. Sie sieht mich nicht an.
„ Sorry, Kim“, flüstert sie, „ich muss damit erst
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