Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
wirklich verstehe. Es ist nicht nur so daher gesagt.
Wäre Rheena noch immer meine allerbeste Freundin und ihre Liebe zu Vic wäre beendet (was ich mir, ehrlich gesagt, niemals vorstellen könnte), dann wäre Vic noch immer mein Bruder und Rheena wäre immer noch meine Freundin.
Und ich würde auch versuchen, vor Inbetriebnahme meines Mundwerks mein Gehirn einzuschalten, und damit alle gefährlichen Klippen, so gut es geht, umschiffen.
„ Wirklich?“, fragt Vic zaghaft.
Ich hole tief Luft und nicke.
„Ja“, antworte ich, „wirklich.“
Vic nimmt mich in den Arm und drückt mir einen Kuss aufs Haar.
„ Mir tut es leid, dass ich dir mit meiner unbedachten Äußerung die Laune verdorben habe“, füge ich entschuldigend hinzu.
„ Das hast du nicht, Kim“, sagt Vic, „und glaub mir, wäre ich nicht so ein egoistisches Arschloch, dann hätte ich Rheena schon längst auf dieses Thema angesprochen. Schließlich ist es ja nicht deine Schuld, dass du über die Organisation nicht sprechen darfst.“
„Erstens bist du ganz und gar nicht egoistisch“, entgegne ich heftig, „und zweitens ist es sehr wohl meine Schuld, da ich mit meinen verfluchten Händen überhaupt erst der Auslöser der ganzen Misere war ...“
„ Wenn wir hier schon von Schuldzuweisungen reden, dann solltest du mir die Schuld für alles geben!“, fällt Vic mir ins Wort.
„ Dir?“ Ich kichere hämisch. „Was hast du denn mit meinen ET-Fingern zu tun?“
„ Lass das, Kim“, faucht mein Bruder mich an, „Sarkasmus steht dir nicht!“
„Das kann ich aber gut“, fauche ich zurück.
„ Ja, ich weiß“, entgegnet Vic mit zusammengekniffenen Lippen, „aber nichts desto trotz habe ich das Unglück eingeleitet.“
Mein fragender Blick spricht Bände.
„ Na ja“, meint er, „hätte ich an diesem unseligen Tag nicht die Schnapsidee gehabt, Trampolin zu springen, hätte Rheena sich gar nicht erst verletzt … ergo ...“
„ Red nicht so einen Müll!“, plärre ich meinen Bruder an.
„ Kim !“
Vic legt mir die Hände auf die Oberarme und schüttelt mich sanft, nimmt so der Lautstärke, mit der er meinen Namen ausgerufen hat, die Härte.
Die Geste ist liebevoll … und somit mein Untergang.
Mühsam zurückgehaltene Tränen finden sturzbachartig ihren Weg aus meinen Augen.
„Lässt du mich ein wenig allein, bitte?“, schluchze ich.
„ Das kann ich nicht“, flucht Vic, „nicht, wenn ich die Ursache dafür bin, dass du weinst.“
Endlich komme ich wieder zu mir.
Trauer … Wut … Zorn … Selbstvorwürfe …
Heute haben Selena und Phil geheiratet! Wir sollten ein wunderschönes verlängertes Wochenende genießen dürfen.
Und was habe ich getan? Ich dumme eigensüchtige Kuh?
„Ich habe damit angefangen, Vic“, beginne ich erneut, „und du bist keineswegs dafür verantwortlich, wenn ich hier in Tränen ausbreche. Also, mach dir bitte wegen mit keinen Kopf!“
Ich schaffe es tatsächlich ein Lächeln auf meine Lippen zu zaubern … ein Lächeln, das sich zu einem ausgewachsenen Grinsen ausweitet, als ich den Piepton höre, der sich seit unserem Gespräch zum schätzungsweise fünfzehnten Mal wiederholt.
„ Beantworte lieber Rheenas fünfzehn SMS, bevor sie sich unnötig Sorgen um dich macht!“
Wie ich meine ehemalige beste Freundin einschätze, kann sie sich vorstellen, dass ich dusselige Kuh die Sprache bestimmt auf dieses Thema bringe.
Sie kennt mich eben!
„ Ist es in Ordnung, wenn ich dich alleine lasse, oder soll ich Kay zu dir schicken?“
„Nein, bitte“, antworte ich schnell, „ich brauche noch einen Moment!“
Vic breitet die Arme aus und ich schlüpfe in eine liebevolle brüderliche Umarmung.
„Zehn Minuten“, kündigt er an, „wenn du dann nicht wieder bei uns bist, schicke ich Kay zu dir!“
„ Zehn Minuten“, nicke ich, „okay!“
„ Du willst doch sicher das ausgezeichnete Dinner nicht verpassen“, schickt Vic noch hinterher, als er, bereits wieder auf dem Handy tippend, sich auf den Weg zurück ins Restaurant macht.
16)
I ch trete näher an die Brüstung, lehne meine Unterarme auf das Holz und betrachte, wie die Sonne langsam am Horizont versinkt.
Das Orange der Sonne geht über in leuchtendes Rot, bevor es sich in ein sanftes Rosa wandelt und schließlich übergeht in ...
Blau … ein letztes Aufflackern … und dann nichts mehr.
Irgendwie erinnert mich die Szene gerade total an meinen ersten Traum.
Den Traum, in dem ich mich bereits in
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