Visionen (Kobaltblaue Träume) (German Edition)
Kay verliebt habe, ohne ihn auch nur ein einziges Mal in Natura gesehen zu haben. Geschweige denn, zu wissen, ob es diesen atemberaubend süßen Jungen mit den kobaltblauen Augen überhaupt gibt oder er nur ein Produkt meiner überschäumenden Fantasie ist.
Ach Kay ...
Aber etwas ist anders.
Schlimm anders!
Und das liegt nicht etwa an dem Kalender, der irgendwo in der Luft zu schweben scheint.
Was zum Kuckuck …?
Über dem Spruch des Tages „ Das Reh hüpft hoch, das Reh hüpft weit – warum auch nicht, es hat ja Zeit “ springt mir das Datum förmlich ins Auge.
1. April!
Wenn das ein Scherz sein soll, kann ich darüber nicht lachen.
Gemeinsam mit dem Kalender schwebe ich über der Szene und beäuge sie mit wachsendem Entsetzen.
„ Alles in Ordnung mit dir?“
Die Person liegt bewegungslos auf den eiskalten Fliesen.
Eine Stimme in meinem Hinterkopf meldet sich.
Fliesen, Kim, es sind Fliesen.
Nicht die altehrwürdigen Holzdielen, auf die ich auf Castillian geplumpst bin, und auch nicht der blank gewienerte Boden im Wohnzimmer meines Vaters, über den ich mich mit gefühllosen Beinen geschleift habe.
Nein, Fliesen sind es.
Und sie sind in einem komplizierten Mosaik angeordnet, das irgendetwas darstellt.
Ein Muster, das ich irgendwo schon mal gesehen habe.
Allerdings habe ich für Ratespielchen gerade nicht wirklich viel Sinn, denn ein kaum merkliches Flattern blau geäderter Augenlider lenkt meine Aufmerksamkeit wieder auf das Wesentliche.
Kein Ton dringt über die wachsbleichen Lippen der Person.
Nicht mal ein Stöhnen.
„ Bitte, antworte doch!“
Nichts … noch nicht mal ein Zucken. Jetzt auch nicht mehr von den Augenlidern.
Das gefällt mir nicht.
Ich bemühe mich nach Kräften, diesem Traum zu entfliehen.
Aufwachen! Bitte, ich will aufwachen!
„Verdammt! Sag endlich was!“
Die Stimme klingt jetzt schrill und obwohl ich schlafe und träume, schlägt mein Herz mit dreifacher Geschwindigkeit.
Alles in mir verkrampft sich vor unsagbarem Schmerz.
Doch es ist nicht derselbe Schmerz, den ich fühlte, als ich meinem Bruder Vic mit bloßen Händen eine Patrone aus der Leiste gefischt habe und danach einen ziemlichen Black out hatte.
Nicht dieser harmlos anmutende Traumschmerz, der davon stammte, dass ich so schusselig auf meinem Hintern gelandet war, wobei ich eine Prellung davon trug und mich für einige Zeit nicht mehr bewegen konnte.
Als ich meine Sinne wieder beisammen hatte, tat es echt scheiß weh.
Nein! Das hier ist anders … eher so die Kategorie Herzschmerz.
Und dieser Schmerz ist schlimmer als alles, was ich bisher erlebt habe.
Eine Killerfaust zerquetscht unbarmherzig dieses heftig pochende Organ in meiner Brust.
Meine Kehle ist eng. Ich kann kaum noch atmen.
„Oh Gott … bitte, sag doch was … irgendwas!“
Obwohl ich es nicht will, begreife ich entsetzt, dass die Person, deren Körper inzwischen ebenso kalt ist wie die verdammten Fliesen, nichts mehr sagen wird … nichts mehr sagen kann .
Ein unmenschlicher Schrei hallt durch den Raum und lässt mein Trommelfell vibrieren.
War ich das?
Als mein Gehirn beginnt, die Puzzleteilchen zusammenzusetzen, stehe ich kurz vor einem hysterischen Anfall.
„ Tot? Du darfst nicht tot sein, hörst du? Ich brauche dich doch!“
Bebende Hände streichen fahrig über den kalten Körper, als wären sie in der Lage, das Unfassbare ungeschehen zu machen.
Und noch während ich träume, wird mir klar, dass dies kein Flashback ist. Es ist nicht der Traum, den ich vor Monaten immer und immer wieder geträumt habe. Der hin und her flatternde Kalender scheint mir zuzunicken.
Ja ja, ich hab's kapiert!
Auch wenn beinahe alles so ist wie damals.
Beinahe!
Nur dass ich diejenige mit der panisch gefärbten Stimme und dem zerquetschten Herz bin.
Und die Person, die reglos vor mir auf dem Boden liegt ist … Kay .
17)
„ H ey, kleine Träumerin. Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“
Kays neckender Tonfall erlöst mich endlich von meinem Albtraum, nur um mich im selben Augenblick in den nächsten zu schicken.
Scheiße!
Das war kein Traum – denn ich bin wach!
Eine Vision!
Oh Gott, ich habe Visionen!
Und Kay steht neben mir. Ich hab ihn nicht mal rauskommen gehört.
„ Baby?“ Kay muss nicht mal seine empathischen Sinne einsetzen, um mir anzusehen, dass etwas nicht in Ordnung ist.
Ich zittere am ganzen Körper und auch wenn ich keinen Spiegel zur Hand habe, weiß ich, dass sich jegliche Farbe aus meinen
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