Visite bei Vollmond
meine Beine.
»Du willst mich immer noch«,
stellte er fest, als er mich schlieÃlich loslieÃ.
Ich wischte mir seinen Speichel
von der Wange. »Die Leute wollen oft das, was sie nicht haben können.«
»Manchmal wollen sie es deshalb
nur umso mehr.« Er trat einen Schritt zurück und atmete tief durch, stieà die
Luft angestrengt aus den Lungen. Plötzlich war er weniger Monster und wieder
mehr der Lucas, den ich kannte. »Wir haben fünf von Viktors Männern aufgespürt.
Den Rest von ihnen jagen wir noch.«
»Das ist doch gut ⦠schätze
ich.« Mein Atem ging schnell, aus Angst, aus Erregung, und vor Wut auf meinen
Körper, weil er mich so verriet.
»Bis zum Vollmond werde ich
mich voll auf die Angelegenheiten des Rudels konzentrieren müssen. Aber danach,
Edie â¦Â«
»Danach wirst du ein
Rudelführer sein.« Und ich würde mich bestimmt nicht schon wieder in einen
Typen verlieben, der mich dann verlassen musste. Entschlossen schob ich ihn
weg, woraufhin er brav einen Schritt zurückwich.
»Glaub bloà nicht, das mit uns
sei schon zu Ende, Edie.« Er schaute an mir vorbei zu Winter. »Und was dich
angeht, alter Mann: Dein Rudel gehört mir.«
Kapitel 41
Â
Ich
blieb noch fünf Minuten an meinem Tisch stehen, dann erst ging ich in den
Waschraum, spritzte mir Wasser ins Gesicht und brachte meine Sachen in Ordnung.
Zum Glück hatte ich schon den ganzen Abend etwas zerrupft ausgesehen, da machte
Lucasâ Attacke keinen groÃen Unterschied mehr.
Als ich zurückkam, stand Meaty
im Schwesternzimmer und brüllte ins Telefon. »Wir sind ein Krankenhaus, kein
Gefängnis ⦠nein, das kümmert mich nicht ⦠dafür werden wir nicht bezahlt.«
Bis ich die Stationsschwester
erreichte, hatte sie das Telefonat beendet. »Was ist los?«
»Geh und weck Gina, Edie. Sag
ihr, wir müssen den zusätzlichen Werwolfflügel aufmachen.«
Gina wach zu kriegen war
leicht â sie davon zu überzeugen, dass Meaty genau das gesagt hatte, schon
weniger. »Das soll wohl ein Witz sein! Warum denn?«
»Keine Ahnung.« Eigentlich
sollte man ja keine halb belauschten Gespräche weitergeben, aber: »Ich habe
irgendetwas von wegen Gefängnis gehört â¦Â«
»O Gott.« Hastig sprang Gina
aus dem unbenutzten Krankenbett. Ich folgte ihr auf die Station hinaus. Sie
stellte sich vor einer Wand am Ende des Flurs auf, an der eine Metallplatte
sowie ein Tastenfeld angebracht waren. Gina lieà ihren Ausweis über den Sensor
gleiten und gab eine Zahlenkombination ein. Und das, was ich während meiner
gesamten Zeit auf Y4 für eine normale Wand gehalten hatte, schob
sich wie ein Garagentor in die Höhe.
»Wie viele Zimmer werden wir
brauchen, Meaty?«, rief Gina.
»Ungefähr ein halbes Dutzend!«,
schallte es zurück.
»Und du«, wandte sich Gina an
mich, »Bettwäsche und Ausrüstung für sechs Zimmer, zack zack.«
»Sehr wohl.«
Ich rannte hin und her
und räumte die ersten sechs Zimmer in dem zusätzlichen Flügel ein â die am Ende
des Ganges waren völlig verstaubt.
»Wann wurden diese Räume denn
das letzte Mal benutzt?«, fragte ich bei einer meiner Runden.
»Im letzten Werwolfkrieg«,
erklärte Charles angewidert. Er hatte vorne am Tresen Stellung bezogen.
Als unsere neuen Patienten eintrafen, war ich gerade mit allen Vorbereitungen fertig geworden. Jorgen
führte sie einen nach dem anderen herein.
Jeder von ihnen wirkte völlig
verloren â ungewaschene Männer und Frauen, die schwerfällig an uns
vorbeiliefen, den Blick stumm auf den Boden gerichtet.
»Wer sind sie, Jorgen?« Für
mich sahen sie allesamt aus wie Obdachlose.
Jorgen brauchte eine Weile, bis
er antwortete, so als müsste er erst die Kraft dafür aufbringen. »Das sind Ihre
Attentäter, Miss Spence. Viktors Mob. Sie haben auch einige von uns angegriffen
â allerdings nicht sonderlich erfolgreich.«
Die Frauen, von denen ich
überfallen worden war, hatten anständige Kleidung getragen und waren in der
Lage gewesen, ein Auto zu fahren. Diese Leute, die Jorgen hier anschleppte und
die wir nun in den zusätzlichen Zimmern unterbrachten, sahen so aus, als
könnten sie nicht einmal eine Rolltreppe benutzen.
Gina trat mit verschränkten
Armen aus dem dritten Zimmer. »Stehen sie unter Arrest?«
»Bis wir
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