Visite bei Vollmond
hat,
verschwunden?«
Jake brummte nachdenklich.
»Raymond ist noch nicht wieder aufgetaucht. Vielleicht auch noch ein paar
andere Typen. Ist aber schwer zu sagen. Es ist Winter, Edie.«
»Ich weiÃ, ich weiÃ. Versprich
mir nur eins, Jake: Hör auf, es zu verkaufen â und nimm auch selbst nichts
mehr.«
»Nein.«
»Jake!«
»Zum ersten Mal in meinem
beschissenen Leben bin ich erfolgreich. Und damit kommst du einfach nicht klar,
Edie. Du kannst mir nicht vorschreiben, was ich zu tun habe.«
Fassungslos nahm ich das
Telefon von der Wange und starrte es wütend an. »Und deshalb willst du wohl
auch bei mir einziehen, wie? Weil du ja sooo erfolgreich bist.«
»Fang jetzt nicht damit an. Es
ist spät, ich will schlafen.«
Damit legte er auf, und ich
ging frustriert auf die Station zurück.
Gina und ich arbeiteten
bis Sonnenaufgang problemlos zusammen, dann ging jede ihrer Wege. Als ich nach
meinem Schlüssel suchte, fand ich Jakes Luna Lobos Fläschchen in meiner
Handtasche. Kurz entschlossen schlich ich zurück auf die Station, wo die
Kollegen von der Tagesschicht gerade die Berichte durchgingen, und schnappte
mir einen Laborauftrag, als niemand hinsah.
»Unbekannte Substanz, Herkunft
unbekannt«, schrieb ich. Diese Art von Probe sorgte dafür, dass die
Labor-Heinis am liebsten aus ihren unterirdischen Löchern kriechen und uns
umbringen wollten â Arbeit, die man später niemandem in Rechnung stellen
konnte, mochten die gar nicht. Aber vielleicht hatte das Konsortium ja auch
eine Schmiergeldkasse für solche Fälle eingerichtet. Allein die Tatsache, dass
ich angeben konnte, es käme von Y4 , machte mir Hoffnung. Bestimmt gab es im Labor
jemanden, der für unser Team spielte. Ganz bestimmt.
Ich schob den Auftrag und das
verpackte Fläschchen in die Rohrpost, gab den entsprechenden Code ein und
wünschte ihm alles Gute, als es abhob und in Richtung Labor verschwand, wo auch
immer das sein mochte.
Ich stiefelte durch die
Eingangshalle und direkt zu meinem Auto. Als zeitgleich mit mir ein anderer
Wagen vom Parkplatz rollte, wusste ich, dass ich immer noch bewacht wurde; vor
allem, da er mir bis nach Hause folgte. In meiner Wohnung erfreute ich mich
wieder an dem Teppich und dem neuen Sofa. Dann fütterte ich Minnie und ging ins
Schlafzimmer â wo ich jemand Fremdes in meinem Bett vorfand. Sike lag schlafend
unter einer Pelzdecke, oder vielleicht war es auch ein Pelzmantel. Ihre nackten
FüÃe schauten darunter hervor, während ihre langen roten Haare das halbe Bett
einnahmen.
»Sike?« Vorsichtshalber war ich
in der Tür stehen geblieben. Ich wollte nicht zu ihr gehen und sie berühren,
immerhin konnte es ja sein, dass sie gewalttätig wurde, wenn man sie weckte.
»Sike?«, fragte ich wieder, diesmal etwas lauter.
Sie schlug die Augen auf und
holte tief Luft. Dann stützte sie sich auf die Ellbogen und sah mich
vorwurfsvoll an. »Du warst die halbe Nacht unterwegs!«
»Das nennt sich Arbeit.
Solltest du auch mal ausprobieren.«
Sie setzte sich auf, streckte
sich und zog sich den Pelzmantel über die Schultern. »Du hast keine Ahnung.
Eine Erhebungszeremonie des Sanginiums vorzubereiten, ist wie die Planung einer
Hochzeit. Mit dem kleinen Unterschied, dass einen die vielen Gäste in diesem
Fall tatsächlich umbringen könnten.«
Ich betrat das Schlafzimmer.
»Und welchem Umstand verdanke ich dann die Ehre deines Besuchs?«
»Wer hat dir von Kabinett Grey
erzählt?«
»Ein verängstigter Werwolf.«
Ich setzte mich neben sie aufs Bett â wobei ich genau darauf achtete, nicht mit
diesem seltsamen Pelzmantel in Berührung zu kommen â und erzählte ihr Viktors
Geschichte. »Vor ungefähr sieben Jahren hat ein Vertreter von Kabinett Grey
seinen Vater aufgesucht und sein Leben ruiniert.«
»Klingt ganz nach ihnen, ja.
Und dadurch wird für uns alles noch viel, viel komplizierter.«
»Wer sind die?«
»Eine Zunft der Vampire, die
sich ausschlieÃlich ihren eigenen Zielen verschrieben hat, was auch immer die
sein mögen und wo auch immer sie hinführen mögen. Hauptsächlich
Auftragskiller.«
»Und sie gehören dem Thron der
Rose an?«
»Nein. Sie gehören allen
Thronen an, ganz egal ob der jeweilige Thron sich dessen bewusst ist oder
nicht. Denn der beste Killer ist der, mit dem niemand rechnet. Der Thron der
Rose
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